Die US-Regierung setzt Europa bei den Verhandlungen über das transatlantische Handelsabkommen TTIP deutlich stärker und weitreichender unter Druck als bisher bekannt. Das geht aus Abschriften geheimer Verhandlungsdokumente hervor, die "Süddeutscher Zeitung", WDR und NDR vorliegen.

Drohung mit Blockade

Mehrere mit den Verhandlungen vertraute Personen bestätigten den Medien, dass es sich bei den Dokumenten um aktuelle Papiere handelt. Greenpeace ist nach eigenen Angaben im Besitz der Originale.

Demnach droht Washington damit, Exporterleichterungen für die europäische Autoindustrie zu blockieren, um im Gegenzug zu erreichen, dass die EU mehr US-Agrarprodukte abnimmt. Gleichzeitig attackiere die US-Regierung das grundlegende Vorsorgeprinzip beim EU-Verbraucherschutz, der 500 Millionen Europäer derzeit vor Gentechnik und Hormonfleisch in Nahrungsmitteln bewahre, heißt es in dem Bericht der "Süddeutschen Zeitung".

Die Dokumente offenbaren den Angaben zufolge zudem, dass sich die USA dem dringenden europäischen Wunsch verweigern, die umstrittenen privaten Schiedsgerichte für Konzernklagen durch ein öffentliches Modell zu ersetzen. Sie haben stattdessen einen eigenen Vorschlag gemacht, der bisher unbekannt war.

Auch online abrufbar

Greenpeace kündigte am Sonntag an, die knapp 250 Seiten starken Unterlagen am Montag (11.00 Uhr) auf einer Pressekonferenz präsentieren zu wollen. Ab diesem Zeitpunkt sollen sie auch im Internet abrufbar sein.

Laut Greenpeace handelt es sich um 13 Vertragskapitel, welche rund die Hälfte des gesamten Abkommens darstellten. Sie zeigen demnach den Stand vor der am Freitag abgeschlossenen 13. Verhandlungsrunde.

Mit der Veröffentlichung will Greenpeace den Bürgern einen ungefilterten Einblick in den Verhandlungsstand geben. Während die EU ihre Vorschläge veröffentlicht, beharren die USA bisher auf Geheimhaltung ihrer Positionen. TTIP-Gegner üben immer wieder scharfe Kritik an dieser Intransparenz.

"Damit können wir endlich beweisen, was bisher vor der Öffentlichkeit geheim gehalten wurde. Unsere schlimmsten Befürchtungen beim Handelspakt TTIP haben sich bestätigt", erklärte Alexander Egit, Geschäftsführer von Greenpeace in Österreich am Sonntagabend in einer Aussendung. Das Freihandelsabkommen rüttle "an den Fundamenten des europäischen Umwelt- und Verbraucherschutzes".

Verhärtete Fronten

So wollten die Vereinigten Staaten Produktverbote zum Schutz der menschlichen Gesundheit nur zulassen, wenn diese wissenschaftlich belegt seien, berichten "SZ", WDR und NDR. Europa dagegen verbietet Produkte wie hormonbehandeltes Fleisch oder Genfood häufig schon vorsorglich bei Hinweisen auf Risiken. In den USA kommt es dagegen oft erst zu Verboten, wenn Menschen zu Schaden gekommen sind.

Auch Klaus Müller vom deutschen Bundesverband der Verbraucherzentralen sagte zur "SZ": "Es bestätigen sich in den Texten bisher so ziemlich alle unsere Befürchtungen bezogen auf das, was die US-Amerikaner bei TTIP in Bezug auf den Lebensmittelmarkt erreichen wollen."

Aus den Verhandlungstexten lässt sich den Medien zufolge ablesen, wie verhärtet die Fronten sind. An vielen Stellen führen die Unterlagen die Positionen der USA und der EU gesondert an, ohne dass gemeinsame Formulierungen gefunden worden wären.

Seit 2013 verhandeln die EU und die USA über ein Freihandelsabkommen, das den Warenfluss zwischen den beiden Partnern vereinfachen und Arbeitsplätze schaffen soll. Gegen TTIP gab es vor allem in Österreich, Deutschland und Frankreich regelmäßig Proteste. Die Kritiker sehen durch TTIP Gefahren für Rechtsstaat und Demokratie und befürchten den Abbau europäischer Standards.