Das Treffen zwischen Papst Franziskus und Patriarchen Kyrill I. am Freitag in Kuba könne zu einer Entspannung zwischen der römisch-katholischen und russisch-orthodoxen Kirche und zu einer wesentlichen "Entkrampfung" auch innerhalb der orthodoxen Kirchen beitragen. Das sagte der Salzburger Ostkirchenexperte Dietmar Winkler im Interview mit "Kathpress".

Allerdings gehe es der russischen Kirche mehr um Politik als um Kircheneinheit oder um Ökumene. Im Gegensatz zur katholischen Kirche sei auf russischer Seite der theologische Wille zu einem "echten ökumenischen Dialog" kaum erkennbar, vielmehr gehe es ihr um praktische Zusammenarbeit mit politischen Hintergründen. Dennoch sei diese Ebene wichtig und spiele in der Theologie immer mit, so der Konsultor im Päpstlichen Rat für die Einheit der Christen.

Auf Entspannung hofft Winkler konkret in Sachen griechisch-katholischer Kirche in der Ukraine, die nun erstmals kein Vorwand mehr für die Verhinderung des Papst-Patriarchen-Treffens gewesen sei. Die Liturgie der griechisch-katholischen Kirche ist orthodox, sie anerkennt aber den Papst als Oberhaupt.

Der "Schritt Richtung Westen" seitens der russisch-orthodoxen Kirche sei überdies eine "Notwendigkeit für Russland im gesamtpolitischen Konzert". Kritik an der Rolle Russlands im Syrien-Konflikt werde der Papst dennoch nicht üben: "Franziskus wird eher das Positive herausstreichen, dass die Kirchen und Staaten jetzt zusammenarbeiten und gemeinsam an einem Strang ziehen müssen, damit der Flüchtlingsstrom und auch die Abwanderung der Christen aus dem Nahen Osten beendet wird. Er wird hier das Kooperationsangebot der russisch-orthodoxen Kirche aufgreifen", so Winkler.

Positiv könne sich das Treffen auch für den innerorthodoxen Konflikt zwischen dem Moskauer und dem Ökumenischen Patriarchat auswirken: Nachdem Franziskus bisher gemeinsame "starke Zeichen" mit Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel (Istanbul) gesetzt habe - Winkler nannte hier u.a. das Treffen 2014 in Jerusalem, das Konzilsgedenken 2015 mit der Aufhebung der Exkommunikation von 1054 - sei die russisch-orthodoxe Kirche "bemüht, sich in Position zu bringen", erklärte der Salzburger Kirchenhistoriker. Im Vorfeld des panorthodoxen Konzils "tut es dem russischen Patriarchen ganz gut, Papst Franziskus zu treffen und in der Ökumene weltweit Aufmerksamkeit zu erhalten".

Das Zustandekommen des Treffens bezeichnete der Salzburger Theologe als "überraschend", wenngleich es lange Vorbereitungen gegeben habe. Ob die Begegnung auf Kuba auch im katholisch-orthodoxen Verhältnis zu einer Entspannung beitragen kann, wird laut Winklers Einschätzung sehr von den Worten und vom Umgang der beiden Kirchenmänner miteinander abhängen: "Zeichen haben eine sehr hohe Symbolwirkung. Man darf deshalb schon gespannt sein, welche Bilder das kubanische Fernsehen liefern wird."

Der deutsche Experte Thomas Bremer sieht in dem Treffen Papst-Patriarch einen Meilenstein, aber auch er warnt vor zu großen Erwartungen. Historisch sei die Begegnung, "weil es noch immer große Vorbehalte in der russischen orthodoxen Kirche gegen Rom gibt, die noch längst nicht ausgeräumt sind", sagte der Professor für Ökumene und Ostkirchenkunde an der Universität Münster der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Der Papst nutze die Ökumene - also den Dialog der christlichen Konfessionen -, um bei den Themen Gerechtigkeit, Armut und Frieden weitere Mitstreiter zu gewinnen. Der Konflikt um die griechisch-katholische Kirche in der Ukraine nach dem Zerfall der Sowjetunion sei nach russischer Ansicht noch immer nicht gelöst. Umso bedeutsamer sei die Begegnung, indes: Eine Lösung theologischer Probleme sei dabei nicht zu erwarten.