Einen Monat nach seinem Atomtest hat Nordkorea eine Langstreckenrakete ins All geschossen und erneut weltweit Empörung ausgelöst. Die Rakete sei am Sonntagmorgen gegen 09.00 Uhr (Ortszeit, 01.30 Uhr MEZ) vom Stützpunkt Dongchang-ri abgefeuert worden, teilte das südkoreanische Verteidigungsministerium mit.

Die USA, Südkorea und Japan verurteilten den Raketenstart als Verstoß gegen UN-Resolutionen. Der UN-Sicherheitsrat will noch am Sonntag zu einer Sondersitzung zusammenkommen.

"Abscheuliche Verletzung"

Südkorea erwägt angesichts der Bedrohung durch Nordkorea, ein Raketenabwehrsystem zu installieren. Sein Land werde mit den USA darüber verhandeln, kündigte ein hochrangiger Vertreter des südkoreanischen Verteidigungsministeriums auf einer Pressekonferenz mit Befehlshabern der US-Armee am Sonntag an. Das US-Militär hatte in der Vergangenheit bereits mehrfach betont, Südkorea benötigte das Raketenabwehrsystem THAAD der USA, um sich vor ballistischen Raketen zu schützen.

Die Regierung in Pjöngjang hatte den Start der Rakete, die angeblich einen Satelliten ins All befördern soll, schon vor einigen Tagen angekündigt, den genauen Zeitpunkt aber offen gelassen. Der international isolierte Staat behauptet, dass sein Weltraumprogramm rein wissenschaftlicher Natur sei. Die Staatengemeinschaft betrachtet den Raketenstart dagegen als Test einer ballistischen Rakete und damit als Verstoß gegen Resolutionen des UN-Sicherheitsrates.

Nach Angaben des nordkoreanischen Staatsfernsehens verlief der Abschuss der Rakete nach Plan. Die Trägerrakete habe den "Erdbeobachtungssatelliten Kwangmyong 4 erfolgreich in die Umlaufbahn gebracht", verkündete eine Nachrichtensprecherin. Machthaber Kim Jong-un erteilte demnach persönlich den Befehl zum Abschuss. Nordkorea habe das Recht, das Weltall "friedlich und unabhängig" zu nutzen, sagte die Sprecherin. Der Raketenstart sei aber auch ein "Durchbruch bei der Steigerung der nationalen Verteidigungsfähigkeiten".

Es gab zunächst keine unabhängige Bestätigung dafür, dass die letzte Stufe der Trägerrakete tatsächlich die Erdumlaufbahn erreichte. Ein Vertreter der US-Armee sagte aber, dass die Rakete "anscheinend" das Weltall erreicht habe.

US-Außenminister John Kerry sprach von einer "abscheulichen" Verletzung von UN-Resolutionen. Die Nationale Sicherheitsberaterin der USA, Susan Rice, verurteilte den Raketenstart als "destabilisierend und provokativ". Das nordkoreanische Raketen- und Atomprogramm sei eine "ernsthafte Bedrohung" für die Interessen der USA und einige ihrer engsten Verbündeten. Japans Regierungschef Shinzo Abe nannte das Vorgehen Nordkoreas "absolut inakzeptabel".

"Sinnlose Provokation"

Frankreichs Regierung sprach von einer "sinnlosen Provokation" und verlangte eine "schnelle und harte Reaktion" der internationalen Staatengemeinschaft. Auch Südkoreas Präsidentin Park Geun Hye forderte den UN-Sicherheitsrat auf, "schnell harte Strafmaßnahmen" gegen Nordkorea zu verhängen. Der Raketenstart sei eine große Gefahr für Frieden und Sicherheit in der Welt. Großbritannien drohte Nordkorea nach dem Start einer Rakete Konsequenzen an. Nordkorea sei sich bewusst, dass es damit mehrere UN-Sicherheitsrats-Resolutionen verletzt habe, sagte ein Sprecher des Londoner Außenministeriums am Sonntag.

Russland distanzierte sich ebenfalls von Pjöngjang. Der Raketenstart verschärfe die Lage auf der koreanischen Halbinsel und in der gesamten Region, teilte das russische Außenministerium mit. Nordkoreas wichtigster Verbündeter China äußerte lediglich sein "Bedauern" darüber, dass Nordkorea ungeachtet internationaler Proteste darauf bestehe, eine Rakete abzufeuern.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief Pjöngjang dazu auf, seine "provokativen Aktionen" zu beenden. In einer Erklärung bekräftigte Ban aber seine Bereitschaft, "mit allen Seiten zusammenzuarbeiten", um den Konflikt zu entschärfen und eine "nachprüfbare Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel zu erreichen".

In New York will nach Angaben von Diplomaten noch am Sonntag um 11.00 Uhr (Ortszeit, 17.00 Uhr MEZ) der UN-Sicherheitsrat zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Seoul und Washington kündigten außerdem an, umgehend Verhandlungen über die Stationierung eines US-Raketenabwehrsystems in Südkorea aufzunehmen.

Nordkorea hatte am 6. Jänner die Zündung einer Wasserstoffbombe verkündet und damit weltweit Empörung hervorgerufen. Der vierte Atomwaffentest Nordkoreas seit dem Jahr 2006 wurde vom UN-Sicherheitsrat scharf verurteilt. Atomexperten und die US-Regierung bezweifelten allerdings, dass es sich tatsächlich um eine Wasserstoffbombe handelte. Die Explosion sei dafür nicht stark genug gewesen.

Der jüngste Raketenstart war auch Thema bei der TV-Debatte der republikanischen US-Präsidentschaftsbewerber. "Eine der ersten Sachen, die wir tun sollten, ist, unsere Fähigkeiten zur Raketenabwehr auszuweiten", forderte der erzkonservative Senator Ted Cruz. Der rechtspopulistische Geschäftsmann Donald Trump erklärte, er würde als Staatsoberhaupt den Druck auf China erhöhen, um Pjöngjang in die Schranken zu weisen: Peking habe "enorme Kontrolle" über Nordkorea.