Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) will jenes Geld, das Österreich im Vorjahr für das Mehr an Asylwerbern zu tragen hatte, von der EU quasi auf Umwegen zurück. In einem Brief an Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker nannte Schelling die Summe von 600 Millionen Euro, wie der "Kurier" am Samstag berichtet.

Der Minister rechnet in dem Schreiben vom 25. Jänner vor, dass im Durchschnitt 35.000 Asylwerber pro Jahr für Österreich als verkraftbar gälten. 2015 seien jedoch 90.000 gekommen, also um rund 55.000 "zu viel". Bei Kosten je Flüchtling von 11.000 Euro ergäbe das die Zusatzbelastung von grob 600 Millionen Euro.

Laut "Kurier" forderte Schelling erneut, dass diese Summe bei der Berechnung des zulässigen Budgetdefizit nicht angerechnet wird. Zudem will er die Aufstockung des EU-Fonds AMIF (Asylum, Migration and Integrations Fund) und einen neuen Verteilungsschlüssel zugunsten "williger" Länder wie Österreich, Deutschland und Schweden, die eine große Zahl an Flüchtlingen aufnehmen. Um die durch Asylwerber entstandenen, zusätzlichen Kosten zu decken, will der Finanzminister den EU-Solidaritätsfonds, der zum Beispiel bei Naturkatastrophen zum Einsatz kommt, anzapfen sowie nicht verbrauchte EU-Budgetmittel an "die Willigen" auszahlen.

Vorschläge bei Finanzministertreffen

"Es geht darum, nochmals zu verdeutlichen, dass die Last eines gesamteuropäischen Problems nicht von zwei, drei Ländern getragen werden kann", hieß es aus Schellings Kabinett zu dem Brief gegenüber dem "Kurier". Laut der Zeitung will der ÖVP-Politiker seine Vorschläge bei den nächsten Finanzministertreffen seinen EU-Amtskollegen unterbreiten. Demnach zeigte sich Schelling in seinem Schreiben an Juncker und dessen Stellvertreterin Kristalina Georgieva "persönlich zunehmend frustriert" über die "riesigen Probleme" der EU, wenn gemeinsame Aktionen und ebensolche Lösungen nötig seien. In der Flüchtlingskrise sei es "hoch an der Zeit", dass die EU-Kommission wieder zu "ihrer normalen Funktion einer unabhängigen Institution zurückkehrt, die die allgemeinen Gemeinschaftsinteressen vertritt und auch so zu handeln beginnt", zitierte das Blatt aus dem Brief.

Hahn kritisiert Schelling-Brief

EU-Kommissar Johannes Hahn hat die Geldforderung von Schelling unterdessen kritisiert. "Die Frustration über die Belastung einzelner Länder ist natürlich verständlich. Kritik muss dort deponiert werden, wo die Mitgliedstaaten zuständig sind", sagte Hahn Samstag in Amsterdam der APA.

Hahn erklärte nach einem Treffen der EU-Außenminister: "Wir sind zunehmend frustriert." An Schelling gerichtet betonte er: "Was er kritisiert, ist an die Mitgliedstaaten zu richten, also an ihn selbst." Die EU-Staaten hätten nämlich die entsprechenden Entscheidungen getroffen. "Ich würde mir wünschen, wenn führende Vertreter eines Mitgliedstaates eigentlich wissen, wer welche Entscheidungen in der Europäischen Union zu treffen hat."

Hahn ging hart ins Gericht mit der nach außen kommunizierten österreichischen Position zur Flüchtlingspolitik. Er sei die vergangenen zwei Tage angesprochen worden, was die Position der österreichischen Regierung sei in der gesamten Flüchtlingsfrage, sagte der EU-Kommission. Es gebe von Österreich unterschiedliche Wortmeldungen auf europäischer Ebene. "Es wäre gut, wenn sich die einmal koordinieren, in welche Richtung sie ziehen." Hahn: "Es erhöht auch die Effektivität eines Landes, wenn die Regierung eine klare Position hat."