Die rechtsnationale Schweizerische Volkspartei (SVP) hat bei den Parlamentswahlen ein Rekordergebnis eingefahren. Die Angst der Bevölkerung vor der Zuwanderung bescherte der bereits zuvor stärksten Kraft des neutralen Landes einen Anstieg des Stimmenanteils auf 29,5 Prozent, wie Hochrechnungen am Sonntag ergaben.

Von Flüchtlingskrise profitiert

Nie seit dem Ersten Weltkrieg kam eine einzelne Partei in der Schweiz auf einen so hohen Anteil. Die SVP, die seit 20 Jahren mit ausländerkritischen Parolen auf Stimmenfang geht, profitierte dabei vor allem vor der Flüchtlingskrise. "Das Votum war klar", erklärte Parteipräsident Toni Brunner. "Die Leute sind besorgt über die Völkerwanderung nach Europa."

In der großen Kammer des Parlaments (Nationalrat) dürfte die SVP elf Sitze gewinnen und 65 Abgeordnete stellen, so viele wie keine Partei zuvor. Die zweite Rechtspartei FDP (Freisinnig-Demokratische Partei) beendete den 36 Jahre anhaltenden Krebsgang und sammelte erstmals wieder mehr Stimmen ein. Auf die wirtschaftsfreundliche Partei entfallen den Hochrechnungen zufolge 33 Abgeordnete. Verluste gab es dagegen für die politische Mitte, die Grünen und die Sozialdemokraten, die ihre Mehrheit damit abgeben dürften.

Die SVP und die FDP besetzen den Hochrechnungen zufolge zusammen mit zwei kleinen Rechtsparteien nun 101 Sitze und kommen damit auf eine hauchdünne Mehrheit in der 200 Plätze umfassenden Parlamentskammer. Politologen sprachen von einem Rechtsruck. In dem auf Stabilität ausgerichteten politischen System der Schweiz sind große Verschiebungen äußerst selten. Mit dem amtlichen Ergebnis wird am frühen Montagmorgen gerechnet.

Sozialdemokraten auf Platz zwei

Zweitwichtigste Kraft in der kommenden Legislaturperiode werden die Sozialdemokraten (SP) bleiben. Sie gewinnt 0,2 Prozentpunkte Wähleranteil und kommt neu auf 18,9 Prozent. Mit 44 Sitzen hat sie gegenüber den Wahlen 2011 aber zwei Sitze eingebüßt.

Die viertgrößte Kraft im Nationalrat, die CVP (Christlichdemokratische Volkspartei), bleibt gleich (29 Sitze). Die BDP (Bürgerlich-Demokratische Partei), die als SVP-Abspaltung entstandene Partei von Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf, erzielte 8 Sitze, minus einen. Verliererinnen der Wahlen sind auch die Grünen und die Grünliberalen.

Obwohl die meisten Syrer und Iraker die Schweiz bisher meiden, war die Flüchtlingskrise das dominierende Thema des Wahlkampfs. Ein Ausländeranteil von fast einem Viertel weckt bei vielen Angst um einen Verlust von Job, Wohnung oder der eigenen Kultur. Neben der SVP setzt auch die FDP auf eine Begrenzung der Zuwanderung. "Ein Bevölkerungswachstum von gegen 100.000 Menschen pro Jahr verkraftet dieses Land nicht", erklärte FDP-Parteipräsident Philipp Müller. Das Wahlresultat zeige, dass die Bevölkerung dies nicht mehr akzeptiere. "Da muss ganz klar etwas passieren."

Wahl des Bundesrats im Dezember

Der überwiegende Teil der Einwanderer in der Schweiz kommt aus Deutschland und Italien. Im Gegensatz zur SVP will die FDP aber weiterhin enge Beziehungen zur Europäischen Union pflegen, dem wichtigsten Handelspartner der Schweiz. Bis 2017 muss die Regierung versuchen, die von den Schweizern beschlossene Begrenzung der Zuwanderung mit dem EU-Eckpfeiler der Personenfreizügigkeit in Einklang zu bringen.

Die Regierung (Bundesrat) wählt das Parlament erst im Dezember. Doch der Kampf um die sieben Sitze in dem Gremium ist bereits voll entbrannt. SVP-Präsident Brunner meldete Anspruch auf einen zweiten Sitz für seine Partei an, Mitte- und Linksparteien halten dagegen. Seit 1959 sind die wichtigsten politischen Kräfte in einer Koalitionsregierung vertreten. Angesichts der Wähleranteile steht der SVP ein zweiter Ministerposten eigentlich zu.