Das Flüchtlingschaos dieser Tage in Ungarn und Österreich sei dem "Unsinn" der Dublin-III-Verordnung zu verdanken, fühlt sich Menschenrechtsexperte Manfred Nowak in seiner Kritik bestätigt. Er pocht in einem APA-Gespräch auf die Vergemeinschaftung des Asylwesens - also ein gemeinsames Verfahren nach einheitlichem Standard mit Kontaktstellen in oder nahe den Herkunftsländern der Schutzsuchenden.

Kritik am jetzigen Vorgehen Ungarns - das Flüchtlinge in Lagern sammelt, um sie zu registrieren - hält der Professor für Internationales Recht und Menschenrechte an der Uni Wien nicht für angebracht. Ungarn komme damit seiner Verpflichtung aus der Dublin-Verordnung nach, diese Menschen zu registrieren. Angesichts der großen Anzahl könne man es "rein pragmatisch gesehen" den Behörden nicht vorwerfen, wenn Flüchtlinge dafür kurz (also maximal 48 Stunden) angehalten werden. Dies sei "nicht notwendiger Weise eine Verletzung der Freiheit". Und man könne Ungarn auch nicht vorwerfen, dass es jetzt seine Registrierungs-Pflicht erfüllt - zumal vorher kritisiert worden sei, dass Ungarn die Menschen einfach weiterschickt.

Auch den vom CDU-Politiker Gunther Krichbaum gegen Österreich erhobenen Vorwurf, Österreich verletzte seine Vertrags-Pflichten, weil es Flüchtlinge "ungeprüft und ohne Ausweiskontrolle" nach Deutschland weiterreisen lässt, hält Nowak in der jetzigen Lage für nicht angebracht. Zwar müsste die Polizei laut Dublin-Verordnung bei begründetem Verdacht, dass es sich um Schutzsuchende handelt, prüfen, ob Daten und Fingerabdrücke schon in der EURODAC-Datenbank sind bzw. sie dort registrieren. Aber in einer solchen Ausnahmesituation könne man "der Polizei keinen Vorwurf machen" - und auch einer von Krichbaum erwogenen Vertragsverletzungsklage gibt Nowak da wenig Chance.

Dieses ganze Chaos zeige einmal mehr, "dass die Dublin-Verordnung gestrichen gehört". Es sei gegenüber den Flüchtlingen unfair, weil man sie nicht zwingen dürfe, in Griechenland oder Ungarn zu bleiben, wo sie auf der Straße leben müssten und kaum Integrationschancen hätten. Und es sei gegenüber den Staaten an der EU-Außengrenze unfair, weil das ganze Problem auf sie abgewälzt wird. Sie haben die Registrierungs-Pflicht - und werden damit Erstaufnahmeland, in das die Flüchtlinge zurückgeschoben werden können.

Wirklich gelöst werden kann die Situation aus Nowaks Sicht nur durch ein gemeinsames europäisches Asylwesen. Also ein gemeinsames Verfahren mit europaweit gleichem Standard sowie fairer Aufteilung der Flüchtlinge - und einer EU-Asylbehörde mit Kontaktstellen in den Ländern, in denen sich viele Flüchtlinge aufhalten, derzeit zum Beispiel Syrer im Libanon oder der Türkei. Damit würde man auch dem Schlepperwesen einen Riegel vorschieben.