"Portugal war schon immer ein armes Land, und sie haben es anders als Irland nicht geschafft, den Rückstand zu den anderen Ländern aufzuholen", sagt Commerzbank-Experte Christoph Weil. Die Regierung in Lissabon flüchtet nun unter den Rettungsschirm der Euro-Partner und erhofft sich davon eine Entspannung ihrer Krise. Die Probleme sind aber deutlich größer als "einfach" nur ein ausuferndes Haushaltsdefizit seit ein oder zwei Jahren. "Das Land siecht dahin", sagt Weil. Portugal ist nicht wettbewerbsfähig.

Schlusslicht bei Bildungsstand und Wirtschaftsleistung

Zu den größten Hemmschuhen gehört das Bildungssystem. Das Land am westlichen Rand der Euro-Zone ist hier mit großem Abstand Schlusslicht: Nach Angaben der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) haben nur 28 Prozent der Portugiesen zwischen 25 und 64 Jahren Matura oder eine abgeschlossene Berufsausbildung, verglichen mit 85 Prozent in Deutschland. Vor allem ältere Arbeitnehmer sind schlecht ausgebildet. Bei den Jüngeren schafft immerhin knapp die Hälfte die Oberstufe - beim Spitzenreiter Finnland sind es fast doppelt so viele.

Zugleich haben es die wenigen gut Ausgebildeten vergleichsweise schwer, eine Stelle zu finden. Der Arbeitsmarkt ist noch immer stark reguliert. Wer einen unbefristeten Vertrag ergattern kann, genießt umfassenden Kündigungsschutz. Daneben hat sich ein weitgehend unregulierter Sektor mit prekären Arbeitsverhältnissen gebildet.

Die OECD fordert bereits seit längerem, dieses Problem anzugehen und die Zweiteilung zu reduzieren. "Durch das Vorantreiben von Reformen auf dem Arbeitsmarkt sollte das Risiko verringert werden, dass sich der konjunkturelle Anstieg der Arbeitslosigkeit strukturell verfestigt", verlangen die OECD-Experten. Immerhin hat die Regierung in Lissabon seit 2005 bereits einige Änderungen auf den Weg gebracht: So wurde der Kündigungsschutz für kleine Betriebe gelockert, Arbeitslose werden stärker kontrolliert und die Weiterbildungsmöglichkeiten wurden verbessert.

Ein flexibler Arbeitsmarkt alleine reicht aber nicht aus, um die portugiesische Jobmisere zu beenden. Derzeit liegt die Arbeitslosigkeit bei etwa elf Prozent und damit so hoch wie seit drei Jahrzehnten nicht. Es fehlen Unternehmen, die die Jobs schaffen. Umständliche bürokratische Vorgaben auf Gemeindeebene machten es Gründern oder Firmen schwierig, neue Standorte zu eröffnen, erklärt die OECD. Um die Hemmnisse abzubauen, legte die Regierung in Lissabon inzwischen ein Programm namens "Simplex" auf. Doch bisher beteiligten sich noch nicht alle Kommunen daran, kritisiert die OECD.

Unattraktiv ist der Standort Portugal für viele Firmen auch wegen der gestiegenen Lohnstückkosten. Seit Gründung der Währungsunion verteuerte sich die Produktion hier stärker als im Durchschnitt der Euro-Zone. Dazu kommt die wachsende Konkurrenz durch die neuen EU-Mitgliedsstaaten in Osteuropa. Hatten viele Firmen noch in den 1990er Jahren Fabriken ins damalige Niedriglohnland Portugal verlagert, so sind inzwischen Standorte in Polen, Ungarn oder Rumänien häufig günstiger. "Die Portugiesen haben es nicht geschafft, sich attraktiv zu machen", sagt Klaus-Jürgen Gern vom Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW).

Durch die Flucht unter den Euro-Rettungsschirm EFSF verschaffe sich Portugal nun etwas Luft, um die Reformen voranzutreiben, sagt Gern. Möglicherweise könnte nun auch der Reformkurs in Schwung kommen, den das Land aus eigener Kraft nicht schaffe: "Es kann eine sinnvolle Strategie sein, wenn man von anderen zu Maßnahmen gezwungen wird, die man selbst nicht umsetzen kann." Der EU rät Gern, auch höhere Haushaltsdefizite zu akzeptieren, solange die richtigen Strukturreformen auf dem Weg seien. "Wenn es gelingt, die richtigen Weichen zu stellen und zugleich das Zinsniveau halbwegs erträglich bleibt, kann es Portugal schaffen."