Während auf dem Kairoer Tahrir-Platz die Anhänger der Demokratie gegen das Regime protestieren, kontrollieren Geheimdienstinformanten und Polizeispitzel den Rest der Stadt. Aber auch Bürger, die mit Präsident Hosni Mubarak sympathisieren, zeigen sich zunehmend im Straßenbild - und halten mit ihren Emotionen nicht hinter dem Berg.

Schon seit Tagen macht die vom Regime gestreute Flüsterpropaganda die Runde, dass die ausländischen Medien mit ihrer Berichterstattung über den Aufstand der Regimegegner "Schuld" an den Unruhen seien. Außerdem würden sie das Bild Ägyptens in der Welt "schlecht machen". Vermehrt geraten ausländische Journalisten in Schwierigkeiten. Eine für die "New York Times" und das ZDF arbeitende Journalistin kam am Donnerstag erst nach 20 Stunden Haft in Kairo wieder auf freiem Fuß.

Auch "Bürgerwehren" halten Journalisten auf, vor allem wenn sie mit ihren Foto- und Fernsehkameras deutlich erkennbar sind, und übergeben sie der Zivilpolizei. So geschah dies am Donnerstag einem BBC-Reporter, der erst nach mehreren Stunden freikam. Die Schlägertrupps des Regimes, die am Vortag die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz brutal angriffen, machen immer wieder gezielt Jagd auf Journalisten und Fernsehleute. Ein Fotograf der European Pressphoto Agency (EPA) wurde am Kopf verletzt und von Soldaten gerettet.

Zwei dpa-Reporter bekamen bereits am Mittwoch eine Ahnung davon, welche Aggression vom Regime gegen die Medien geschürt wird. Als sie durch ein Viertel unweit des Tahrir-Platzes gingen, fuhr ein heruntergekommener Toyota im Schritttempo an ihnen vorbei. Darin saßen vier wenig vertrauenerweckende männliche Gestalten. "Was zum Teufel schreibt ihr noch?", rief einer aus dem Fenster des Wagens. "Reicht es euch noch nicht?"

ZDF überlegt Abzug

Die Situation in Kairo werde dramatischer, sagte der Chefredakteur des Zweiten Deutschen Fernsehens (ZDF), Peter Frey, der Nachrichtenagentur dpa. Das ZDF überlegt nach Freys Worten, die in Kairo arbeitenden Journalisten um Büroleiter Dietmar Ossenberg aus der Stadt abzuziehen. Der niederländische Sender Fox hat sich bereits zurückgezogen. Ossenberg war während des "heute-journals" am Mittwochabend von einem Laserstrahl fokussiert worden. "Als nächstes hätte der Schuss folgen können", sagte Frey.

Der ZDF-Chefredakteur sprach von "gezielten Angriffen auf Journalisten" aus den Reihen der Mubarak-Fraktion. Die Bedrohungen nähmen zu, den Kollegen werde Ausrüstung abgenommen, Kassetten würden entwendet. Dem Fernsehteam des Senders n-tv wurde ebenfalls zeitweise die Ausrüstung weggenommen. Eine auch für das ZDF arbeitende Journalistin kam in Kairo nach 20 Stunden wieder frei. Die Frau war am Mittwoch auf der Fahrt von Alexandria nach Kairo festgenommen und in einem Hochsicherheitstrakt festgesetzt worden.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) beklagte, bei Übergriffen - vor den Hotelstürmungen - seien auch mehrere Berichterstatter geschlagen und ihrer Ausrüstung beraubt worden. Betroffen seien Mitarbeiter von Sendern wie BBC, Al-Jazeera, CNN, Al-Arabiya und ABC News. Auch Polizisten sollen zu den Tätern gehört haben. "Diese Angriffe scheinen Racheakte gegen internationale Medien zu sein, die die Forderungen der Demonstranten nach einem Rücktritt Mubaraks übermitteln", sagte ROG-Generalsekretär Jean-Francois Julliard.

Ein französischer Reporter des Senders Arte war gemeinsam mit zwei Kollegen bei einem Kontrollpunkt des Militärs festgenommen worden. Den Journalisten wurden laut Arte Handys und Arbeitsmaterial abgenommen. Anschließend wurden sie weggebracht.

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) betonte, die Journalisten an Ort und Stelle dürften an ihrer Berichterstattung nicht gehindert werden. "Journalisten sind kein Freiwild", sagte der Bundesvorsitzende Michael Konken. Laut DJV musste das ARD-Team am Mittwoch sein Studio verlassen. Ein belgischer Journalist wurde verhaftet, eine französische Journalistin verprügelt. Immer noch befanden sich vier israelische Reporter in Haft. Ein Fotograf der European Pressphoto Agency (EPA) wurde am Kopf verletzt und von Armeesoldaten gerettet.

Ein CNN-Reporter wurde mit seinem Team während laufender Kamera von Straßenkämpfern angegriffen. Die Gruppe versuchte sich unter einem Hagel von Faustschlägen in Sicherheit zu bringen und wurde von einem aufgebrachtem Mob über mehrere Straßenzüge verfolgt. Anhänger Hosni Mubaraks verletzten einen griechischen Journalisten und Fotografen mit einem Messer und schlugen ihn mit Knüppeln. Regimeanhänger riefen: "Mubarak ist kein Problem. Du bist eins!"

Das Internationalen Presseinstitut (IPI) in Wien verurteilte ebenfalls Angriffe. Anthony Mills vom IPI teilte mit: "Wir verurteilen diese Angriffe und fordern alle Parteien dazu auf, Gewalt gegen lokale und ausländische Journalisten zu unterlassen, die lediglich im Interesse der Öffentlichkeit versuchen, von den Demonstrationen und Zusammenstößen zu berichten". "Insbesondere sind wir über Hinweise besorgt, dass es bei den Angriffen möglicherweise Verbindungen zu den Sicherheitskräften gibt", sagte Mills weiter.