In Tunesien ist nur einen Tag nach der Flucht von Präsident Zine el-Abadine Ben Ali ins saudische Exil ein neuer Übergangspräsident ernannt worden. Ben Ali hatte am Freitag zunächst Ministerpräsident Mohamed Ghannouchi die Amtsgeschäfte übertragen. Am Samstag ernannte der Verfassungsrat nun den bisherigen Parlamentspräsidenten Fouad Mebazaa (Mbazaa) zum Interims-Präsidenten. Der Rat teilte mit, laut Verfassung müssten innerhalb von 60 Tagen neue Präsidentschaftswahlen abgehalten werden.

Ben Ali geflüchtet

Ben Ali hatte vor seiner Flucht den Ausnahmezustand verhängt und die Macht Ministerpräsident Ghannouchi als Interims-Präsidenten übertragen. Laut Verfassung ist das jedoch nur für eine begrenzte Zeit möglich. Sie sieht vor, dass der Vorsitzende des Parlaments das Amt des Präsidenten antreten soll. Oppositionspolitiker hatten kritisiert, dass die Ernennung Ghannouchis zum Interims-Präsidenten verfassungsrechtlich bedenklich sei. Ghannouchi war bereits mit Vertretern der Opposition zusammen getroffen, um ein neues Regierungsbündnis zu bilden.

Nach wochenlangen blutigen Unruhen war Staatschef Ben Ali am Freitag untergetaucht. Das saudische Königshaus bestätigte am Samstag, dass Ben Ali und seine Familie im Land gelandet seien. Die Entscheidung, ihm die Einreise zu erlauben, sei im Hinblick auf die "außergewöhnlichen Umstände" getroffen worden, die das tunesische Volk gerade durchmache, hieß es. Man wünsche den Menschen in Tunis Frieden und Sicherheit.

Soldaten und Panzer in der Hauptstadt

Ob Ben Alis Ausreise die Lage nachhaltig beruhigen können würde, war zunächst noch ungewiss. Nach den Ausschreitungen in der Nacht lag in Tunis in der Früh Rauch über der Stadt. Nach Berichten des US-Senders CNN patrouillierten auf den Straßen Soldaten mit Panzern und Schützenpanzern. Auch Polizisten in Zivil seien unterwegs gewesen. Dabei soll es erneut zu Festnahmen gekommen sein.

Tausende Demonstranten hatten am Freitag in Tunis den Rücktritt des Präsidenten gefordert. Sie skandierten Parolen wie "Ben Ali - raus" oder "Ben Ali - Mörder". Wie viele Menschen bei den Protesten gegen die Regierung in den vergangenen Wochen getötet wurden, ist bisher nicht geklärt. Von offizieller Seite hieß es, bei den Unruhen seien mindestens 23 Menschen ums Leben gekommen. Die Opposition geht hingegen von mehr als 60 Opfern aus.

50 Tote bei Gefängnisbrand

Bei einem Gefängnisbrand in der Küstenstadt Monastir wurden unterdessen am Samstag Dutzende Menschen getötet. Ärzte sprachen von bis zu 50 Toten. Zahlreiche weitere Menschen erlitten bei dem Brand in der auch bei Touristen beliebten Küstenstadt schwere Verbrennungen, wie aus Krankenhauskreisen verlautete. Einer ersten Untersuchung zufolge seien die Opfer verbrannt oder an Rauchvergiftungen gestorben, sagte der Gerichtsmediziner Tarek Mghirbi.

Die Ursache des Brandes sei bisher unklar. In anderen Berichten hieß es, Häftlinge hätten ihre Matratzen in Brand gesteckt. Die Flammen hätten dann schnell auf das gesamte Gebäude übergegriffen. Als die Insassen zu fliehen versuchten, hätten Wärter nach Augenzeugenberichten das Feuer eröffnet; mehrere Häftlinge seien an Schusswunden gestorben, andere verbrannt.

Nach erneuten nächtlichen Ausschreitungen riegelte die Polizei das Zentrum von Tunis ab. Die Beamten errichteten Samstag früh Straßensperren an einer großen Straße, um die Zufahrt in das Stadtinnere zu blockieren. Zudem wurde das Aufgebot an Sicherheitskräften verstärkt. Trotz der beendeten nächtlichen Ausgangssperre blieben Cafes und Geschäfte vorerst geschlossen. Auf den Straßen im Zentrum blieb es zunächst ruhig.

Ausschreitungen und Plünderungen

In mehreren Vororten von Tunis gab es laut Zeugenangaben in der Nacht erneut Ausschreitungen und Plünderungen. Laut Augenzeugen wurde im Norden der Hauptstadt am Freitag ein großes Einkaufszentrum angegriffen und am Samstag geplündert.

In Deutschland und Österreich wurden Rückholaktionen von Touristen gestartet, die sich in Tunesien aufhalten. Am Nachmittag flog eine Sondermaschine der zum AUA-Konzern gehörenden Lauda Air in den Urlaubsort Monastir, um von dort Urlaubsgäste des Reiseveranstalters TUI Österreich (TUI Austria Holding) nach Hause zu bringen.

Manche Österreicher wurden von deutschen Veranstaltern auch gemeinsam mit deutschen Touristen nach Deutschland ausgeflogen, von wo sie dann individuell in die Heimat gebracht werden sollten.

Das Außenministerium in Wien kündigte eine Verstärkung der österreichischen Botschaft in Tunis an. Die Entsendung eines Unterstützungs-Teams von Beamten des Außen-, Innen- und Verteidigungsministeriums soll dazu dienen, "österreichischen Staatsbürgern vor Ort bestmöglich zu helfen".