Innenministerin Maria Fekter (V) ist am Mittwoch vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) in ihrer Praxis der Anwendung des Asylrechts in die Schranken gewiesen worden. Die Höchstrichter hoben die Überstellung einer Asylwerberin nach Griechenland als verfassungswidrig auf. Grund dafür ist die schlechte Versorgung von Asylwerbern in dem EU-Land, das schon seit längerem wegen seines miserablen Asylwesens in der Kritik steht. Außerdem haben die Verfassungsrichter entschieden, dass die österreichischen Behörden vor der Überstellung besonders schutzwürdiger Personen künftig bei den griechischen Kollegen eine individuelle Betreuungs-Zusage für die betroffenen Asylwerber einholen müssen - andernfalls muss die Abschiebung unterbleiben. Fekter kündigte an, Griechenland vor Ort helfen zu wollen, die Situation zu entschärfen.

Entschieden hat der VfGH konkret im Fall einer aus Afghanistan stammende Frau mit drei minderjährigen Kindern, die mit ihrer Beschwerde gegen die Abschiebung nun erfolgreich gewesen ist. Aufgrund der unbestrittenermaßen schwierigen Betreuungssituation für Asylwerber in Griechenland hätte eine Überstellung zu einer Verletzung des in der Menschenrechtskonvention verankerten Verbots von Folter sowie unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung führen können, urteilten die Verfassungsrichter.

Betreuungs-Zusage aus Griechenland einholen

Der VfGH hat die Überstellung schutzbedürftiger Flüchtlinge nach Griechenland zwar nicht generell untersagt, allerdings mit einer neuen Auflage verbunden. Künftig müssen die Behörden eine "fallbezogene individuelle Zusicherung" der griechischen Kollegen einholen, dass die Asylwerber auch tatsächlich betreut werden. Im aktuellen Fall hat der Asylgerichtshof diese Frage zwar selbst aufgeworfen, sich aber nicht vergewissert, dass die Familie in Griechenland ordentlich versorgt würde. Der VfGH hat den Überstellungsbescheid daher als verfassungswidrig aufgehoben. Nach Angaben des VfGH haben die heimischen Asylbehörden nun zwei Möglichkeiten: Entweder sie holen eine "Versorgungszusage" der griechischen Behörden für die Familie ein und kommen danach zum Schluss, dass die Überstellung zulässig ist. Oder die Überstellung ist nicht zulässig und Österreich tritt anstelle Griechenlands in das Asylverfahren ein. Hintergrund der ganzen Angelegenheit ist das sogenannte Dublin-Abkommen, wonach für ein Asylverfahren jenes EU-Land zuständig, in dem der Flüchtling die EU-Außengrenze überschritten hat.

Hunderte Asylwerber betroffen

Das Innenministerium will die Auflagen des VfGH erfüllen, einen generellen Abschiebungsstopp wird es aber nicht geben. Von der Griechenland-Problematik sind Hunderte Asylwerber betroffen. Wie viele davon als besonders schutzwürdig gelten und damit vom VfGH-Spruch erfasst wären, wollte man im Innenministerium nicht sagen. In den ersten acht Monaten des Jahres hat Österreich in 161 Asyl-Fällen eine Überstellung nach Griechenland durchgeführt. Fekter kündigte an, dass Österreich Griechenland mit Know-How vor Ort helfen werde. Primär sieht sie allerdings die EU gefordert. Die Europäische Kommission müsse einerseits dafür sorgen, dass die EU-Grenze besser abgesichert werde, und andererseits, dass in Griechenland ein adäquates Betreuungssystem aufgebaut werde. Bei der von der EU zugesagten Entsendung schneller Eingreifteams der EU-Grenzschutzagentur Frontex wird sich Österreich laut dem Ministerium mit zwei Beamten Beteiligen.

Den Hilfs- und Menschenrechtsorganisationen reicht das nicht aus. Amnesty International, SOS Mitmensch und die Asylkoordination, ein Zusammenschluss von Flüchtlingshilfsorganisationen, forderten einen generellen Stopp der Überstellung von Asylwerbern nach Griechenland. Dieser Forderung schlossen sich auch die Grünen an. Ganz anders hingegen die FPÖ, die in dem VfGH-Erkenntnis ein "Signal in die komplett falsche Richtung" sieht und weitere Abschiebungen verlangt. Das BZÖ forderte die Aussetzung der Schengen-Mitgliedschaft Griechenlands, bis das Dublin-Abkommen wieder vollzogen werden kann, sowie die rasche Umsetzung aller nicht VfGH-anhängigen Abschiebungen nach Griechenland.