Die Forderung nach mehr männlichen Vorbildern im Kindergarten wird schon seit Längerem erhoben. Nun belegt eine in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Erziehung und Unterricht" veröffentliche Pilotstudie der Universität Innsbruck, dass der Einsatz von männlichen Kindergartenpädagogen tatsächlich das Verhalten beeinflusst - wenn auch nur bei Burschen.

Derzeit sind in Österreich nur 0,8 Prozent der Kindergartenpädagogen männlich. Wie sich dieses Geschlechter-Ungleichverhältnis in der Praxis auswirkt, wurde von den Forschern um Josef Christian Aigner vom Institut für psychosoziale Intervention und Kommunikationsforschung in der aufwendigen "Wirkungsstudie W-INN" an zehn Kindergärten in Tirol und Salzburg untersucht. Dabei waren fünf Fachkräfte-Teams rein weiblich, in fünf gab es auch Männer.

Herzstück der Studie war die Analyse von Videoaufnahmen aus dem Gruppenalltag bei 30 "Zielkindern", die zusätzlich im Einzelsetting mit Playmobilfiguren alltägliche Konfliktthemen nachgespielt haben. Bei je fünf männlichen und weiblichen Pädagogen wurde das konkrete pädagogische Verhalten beobachtet. Außerdem wurden die 22 Erzieherinnen und Erzieher in Fragebögen zu beruflicher Qualifikation und Erfahrung und ihrer Einschätzung von Verhalten und Beziehung einzelner Kinder befragt. Ebenso erhoben wurde die familiären Hintergrundsituation (sozioökonomischer Status, Aufgabenteilung der Eltern etc.) der 206 Eltern von insgesamt 163 Kindern.

Wie die Videoanalyse zeigt, verhielten sich Mädchen gegenüber männlichen und weiblichen Kindergartenpädagogen weitestgehend gleich. Bei den Burschen zeigten sich indes "deutliche Differenzen": Sie suchten der Studie zufolge fast durchgehend öfter Anschluss und Kontakt zu den männlichen Fachkräften. Statistisch signifikante Unterschiede zu Pädagoginnen gab es in den Bereichen "Interesse an Kommunikation und affektivem Austausch", "Freude an Körperkontakt" und "Streben nach exklusiver Aufmerksamkeit".

Außerdem wurden die Auswirkungen der Präsenz männlicher Pädagogen auf das Spiel- und Sozialverhalten der Kinder untersucht. Auch hier wurden nur bei den Burschen Unterschiede im Verhalten festgestellt: Sie zeigten bei gemischtgeschlechtlichen Fachkräfte-Teams deutlich extrovertierteres Verhalten, bewegten sich mehr und waren aktiver und weniger "angepasst". Die Forscher konnten durch Zusammenführung aller Untersuchungsdaten bei 21 Fallstudien außerdem gerade bei jene Burschen Verhaltensunterschiede festmachen, "die real kaum von einer präsenten Vaterfigur profitieren konnten".

Wieso es zum beobachteten Effekt kommt, konnte in der Studie noch nicht umfassend geklärt werden. Befürchtungen, dass der Einsatz von mehr männliche Kindergartenpädagogen zu einer Verfestigung oder Wiederaufrichtung konventioneller männlicher Geschlechterrollenklischees beitragen könnte, weisen die Autoren zurück: Dies scheine "einer durch nichts belegbaren gender-ideologischen Voreingenommenheit zu entspringen." Vielmehr könnte, so die Hoffnung der Wissenschafter, der Effekt bei entsprechender gendersensibler Ausbildung des Personals genutzt werden, um für die Burschen wichtige "korrigierende und modifizierende pädagogische Schritte zu setzen".