Italien wählt mit einem umstrittenen Wahlgesetz aus der Zeit der Regierung Silvio Berlusconis, das erstmals bei den Parlamentswahlen im April 2006 angewendet wurde. Das Gesetz, das auf einem Mehrheits-Proporzsystem basiert, sieht einen "Bonus" für den Wahlsieger vor, der in der Abgeordnetenkammer auf nationaler, im Senat auf regionaler Ebene vergeben wird. Bei Wahlen zur Abgeordnetenkammer nehmen an der Sitzverteilung Koalitionen teil, die landesweit mindestens zehn Prozent der Stimmen erhalten. Mindestens eine der beteiligten Parteien muss zwei Prozent erreicht haben. Hier folgen die wichtigsten Koalitionen und Parteien, die sich am Urnengang beteiligen.

MITTE-LINKS-BLOCK: Die Koalition besteht aus der "Demokratischen Partei" (PD), aus der Linksgruppierung SEL, der Sozialistischen Partei PSI und aus der Gruppierung "Centro Democratico". Zum Spitzenkandidaten wurde bei Vorwahlen, an denen sich in zwei Wahlgängen insgesamt 3,3 Millionen Wähler beteiligten, PD-Chef Pierluigi Bersani gekürt, der sich gegen den Bürgermeister von Florenz, Matteo Renzi durchsetzte. Mit rund 33 Prozent der Stimmen gilt die Mitte-links-Allianz laut den letzten Umfragen als Favoritin. Bersani hat seine Bereitschaft signalisiert, nach dem Urnengang mit dem scheidenden Premier Mario Monti und seinem Zentrumsblock zusammenzuarbeiten. Dies löste jedoch Unmut in der linken SEL aus, die Montis wirtschaftliche und soziale Reformen scharf kritisiert und zum Großteil rückgängig machen will.

MITTE-RECHTS-ALLIANZ: Das Bündnis ist aus der Mitte-rechts-Kraft "Volk der Freiheit" (PdL) um Ex-Premier Silvio Berlusconi, der rechtspopulistischen Föderalismus-Partei Lega Nord, der von ehemaligen Vertrauten des Medienzaren gegründeten Mitte-rechts-Partei "Fratelli d'Italia" (Brüder Italiens), sowie der Rechtspartei "La Destra" um den römischen Politiker Francesco Storace zusammengesetzt. Berlusconi führt als Spitzenkandidat das Mitte-rechts-Lager an, obwohl er versichert hat, dass er im Fall eines Wahlsieges auf das Premieramt zugunsten von PdL-Chef Angelino Alfano verzichten und sich mit dem Posten des Wirtschaftsministers in der neuen Regierung begnügen würde. Die Lega Nord schlägt dagegen Ex-Wirtschaftsminister Giulio Tremonti als Premier vor. In den letzten Wochen hatte die Mitte-rechts-Allianz dank der intensiven Wahlkampagne Berlusconis aufgeholt und könnte lauf Umfragen auf etwa 27 Prozent der Stimmen gelangen. Die Medien sprachen daher von einen beflügelnden "Berlusconi-Effekt" auf den Wahlkampf.

ZENTRUMSBLOCK: Italiens scheidender Premier Mario Monti beteiligt sich am Wahlkampf an der Spitze einer Koalition gemäßigter Parteien, die nach den Parlamentswahlen auf eine zweite Regierung unter seiner Führung hoffen. "Mit Monti für Italien", heißt die Wahlliste, die mit dem Reformprogramm Montis im Senat um die Gunst der gemäßigten Wählerschaft wirbt. Im Abgeordnetenhaus gehen neben der Wahlliste Montis auch die christdemokratische Partei UDC um Pierferdinando Casini und die Rechtspartei FLI (Zukunft und Freiheit in Italien) um den scheidenden Parlamentspräsidenten Gianfranco Fini für Monti ins Rennen. Laut letzten Umfragen könnte es die Partei auf rund zehn Prozent der Stimmen schaffen. Monti hat sich öfters für eine Allianz mit dem Mitte-links-Block um Pierluigi Bersani nach den Parlamentswahlen ausgesprochen.

FÜNF-STERNE-BEWEGUNG: Die Protestbewegung um Italiens Starkomiker Beppe Grillo nimmt zum ersten Mal an den Parlamentswahlen teil, nachdem sie bei Teilkommunal- und bei Regionalwahlen auf Sizilien im vergangenen Oktober beträchtliche Resultate geerntet hatte. Die Gruppierung könnte laut Umfragen sogar bis zu 18 Prozent der Stimmen erobern und somit zur zweitstärksten Einzelpartei im neuen italienischen Parlament avancieren. Der Kult-Satiriker und Blogger Grillo mischt seit einigen Jahren die italienische Politik auf. Der Erfolg seiner Protestbewegung basiert auf einer Kampagne gegen die "Kaste der Parlamentarier", gegen Verschwendung im politischen System und die Richtlinien der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Gruppierung ist wegen der populistischen Töne Grillos ein rotes Tuch in den Augen der Traditionsparteien.

RIVOLUZIONE CIVILE: Die Partei "Italien der Werte" (IDV) um den Ex-Staatsanwalt Antonio Di Pietro, sowie die altkommunistische "Rifondazione Comunista", die Partei der Italienischen Kommunisten und die Grünen haben eine Allianz mit der Gruppierung "Rivoluzione Civile" um Staatsanwalt Antonio Ingroia abgeschlossen, der sich um eine tiefgreifende Reform des Justizsystems bemüht. Ingroia hat den Kampf gegen Korruption und das organisierte Verbrechen in dieser Wahlkampagne zum Thema gemacht. Er führt eine Liste vor allem aus Richtern und Staatsanwälten an, zu der auch frühere Kommunisten und Politiker von "Italien der Werte" gehören. Sie sehen sich als Wächter der Verfassung. Gut fünf Prozent der Stimmen werden der Liste zugetraut - genug, um im Senat ein Patt zu schaffen und Bersani Bedingungen für die Regierungsbildung zu stellen.

"FARE PER FERMARE IL DECLINO": Die liberale Gruppierung mit dem langwierigen Namen "Etwas tun, um den Niedergang aufzuhalten" ist von dem wirtschaftsliberalen Journalisten Oscar Giannino ins Leben gerufen worden, der in Italien als Moderator von Diskussionssendungen und als Leitartikler mehrerer großer Regionalzeitungen bekannt ist. Die Bewegung will sich für liberale Wirtschaftsreformen und den Abbau des Parteieneinflusses auf das italienische Wirtschaftssystem einsetzen. Zu den Mitgründern zählen Luigi Zingales, Ökonom an der Universität Chicago und Verfasser eines kapitalistischen Manifests, und Michele Boldrin, der Volkswirtschaft an der Washington University in St. Louis lehrt. Vier Prozent würden Giannino reichen, um in das italienische Abgeordnetenhaus einzuziehen.