Der Theologe und Papst-Kritiker Hans Küng sieht im Verbleib Benedikts XVI. im Vatikan nach seinem Rücktritt am 28. Februar eine Gefahr für Erneuerungstendenzen in der römischen Kurie. "Die Gefahr ist, dass Joseph Ratzinger in Rom de facto die Rolle eines Schattenpapstes übernimmt", so Küng. Er würde es lieber sehen, wenn sich Benedikt zum Gebet nach Bayern zurückziehen würde. "Wenn er im Vatikan bleibt, sind Kontakte und Gespräche unvermeidbar", sagte Küng im Interview mit der römischen Tageszeitung "La Repubblica". Küng äußerte seine Hoffnung, dass Benedikt im neuen Pontifikat keine Rolle spielen werde. "Ansonsten könnte es zu einer gefährlichen Polarisierung zwischen Anhängern des neuen und des alten Papstes kommen. Dies würde eine einheitliche Regierung der Kirche unmöglich machen", betonte der Schweizer.

Neuer Papst darf nicht zu "römisch" werden

Der neue Papst sollte seiner Ansicht nach nicht zu alt, aber auch nicht zu jung sein. "Ein langes Pontifikat würde zur Versteinerung der Kirche führen", meinte Küng. Die Herkunft des neuen Papstes sei nicht wichtig. Essenzieller sei, dass der neue Papst nicht zu "römisch" werde. "Ratzinger stammte nicht aus Rom, doch letztendlich war er der römischste unter den Römern und in der Kurie", erklärte der Theologe. Nach Küngs Worten sollten auch Päpste die für Bischöfe geltende Regel respektieren, wonach diese ab dem 75. Lebensjahr ihren Rücktritt anbieten sollen. "Jetzt stellen wir fest, wie negativ es ist, wenn ein Papst zu lang oder bis ins hohe Alter im Amt bleibt", erklärte Küng.

Papst für "wirkliche Erneuerung"

Papst Benedikt XVI. hingegen hat am Donnerstag zu einer "wirklichen Erneuerung" der katholischen Kirche aufgerufen. Vor Hunderten Gemeindepriestern der Diözese Rom sagte der 85-Jährige, diese Erneuerung solle im Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils erfolgen. "Ich danke Euch, danke für Eure Zuneigung, für die große Liebe für den Papst", sagte Benedikt XVI. (85) zum Auftakt des Treffens im Vatikan. Er werde auch nach seinem Rücktritt "im Gebet" nah an seiner Kirche bleiben, so der Papst, der auch Bischof von Rom ist. "Auch wenn ich mich nun zurückziehe, bin ich im Gebet immer nah bei euch und ihr werdet immer nah bei mir sein, selbst wenn ich für die Welt verborgen bleibe", sagte Benedikt.