Der Schuldspruch gegen den früheren ÖVP-Innenminister und EU-Abgeordenten Ernst Strasser beschäftigt das Land: Strafrechtsexperten wie der Innsbrucker Klaus Schwaighofer halten die erstinstanzlich verhängten vier Jahre Gefängnis für "eindeutig zu hart".

"Promi-Malus"

Auch der Wiener Strafrechtsprofessor Helmut Fuchs spricht von einem sehr strengen Urteil und warnt, aus einem "früheren Prominenten-Bonus" dürfe kein Promi-Malus werden. Anwalt Manfred Ainedter, der Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser vertritt, bewertet das Urteil als "harte, exemplarische Strafe, die sich allerdings im Rahmen dessen abspielt, was möglich war". Weil Strasser vor Gericht jedes Fehlverhalten abgestritten habe, sei er "mit dieser drakonischen Strafe belohnt worden", meint Ainedter.

Auf geschlossene Reihen des Schweigens stößt die Verurteilung Strassers bei der ÖVP. "Wir haben vor zwei Jahren mit Strasser gebrochen", sagt Parteichef Michael Spindelegger. Auch von seinem Vorgänger Josef Pröll, der Strasser als Spitzenkandidat für die Europawahlen aus der Versenkung geholt hatte, gibt es "definitiv keine Reaktion", heißt es aus dessen Umfeld. Justizministerin Beatrix Karl schweigt ebenso. Sie meint nur, der Rechtsspruch zeige, dass die Justiz "ohne Ansehen der Person" entscheide.

Dieses Schweigen und Abgrenzen von Strasser hält der Politologe Peter Filzmaier für logisch. In aktuellen Umfragen sei der tiefe Fall Strassers noch nicht eingesickert. "Das dauert noch zehn bis 14 Tage", meint Filzmaier. Dennoch habe die ÖVP bei der Nationalratswahl im Herbst Chancen, trotz Strasser beim Wähler ungeschoren davon zu kommen. Allerdings nur, wenn nichts Neues nachkomme. Sollte etwa Karl-Heinz Grasser noch vor der Wahl angeklagt werden, könnte es für die ÖVP "gefährlich" werden. Oder wenn Strasser "eine bis sechs Wochen" vor dem Urnengang letztinstanzlich ins Gefängnis muss.

Mensdorff-Pouilly

Ähnlich schätzt OGM-Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer die Situation ein. Sollte Grasser noch vor der Nationalratswahl vor den Kadi müssen, "dann bringt die ÖVP den Kot von ihren Schuhen nicht weg". meint er. Ein gröberes Risiko sieht er auch, sollte Strasser auf das Urteil "böse reagieren". So etwas könnte der ÖVP massiven Schaden zufügen, sagt er. Die nächste Erschütterung für die ÖVP dürfte schon am Donnerstag erfolgen. Für morgen wird das Urteil des wegen Geldwäsche angeklagten Alfons Mensdorff-Pouilly erwartet, dem Ehemann der Ex-ÖVP-Ministerin Maria Rauch-Kallat.

Der Oberste Gerichtshof (OGH) dürfte noch heuer über das Strasser-Urteil entscheidet. Richter Georg Olschak will das schriftliche Urteil binnen zwei Monaten vorlegen. Anschließend haben Staatsanwalt und Verteidiger insgesamt acht Wochen, um Rechtsmittel auszuführen. Damit könnte die Causa Mitte Mai beim OGH landen.

Die Staatsanwaltschaft hat jetzt noch bis Freitag Nachmittag Zeit, gegen das Strasser-Urteil zu berufen und etwa eine strengere Bestrafung zu verlangen.