Im Prozess gegen den ehemaligen Innenminister und ÖVP-Delegationsleiter Ernst Strasser ist am Freitag im Wiener Straflandesgericht der Behauptung des Angeklagten nachgegangen worden, er habe die vermeintlichen Lobbyisten der Londoner Agentur Bergman & Lynch für Agenten gehalten und Indizien besessen, die seine Vermutung gestützt hätten.

Die beiden Enthüllungs-Journalisten, die sich in Wahrheit hinter Bergman & Lnych verbargen und denen Strasser laut Anklage auf den Leim ging, indem er ihnen gegen ein Honorar von jährlich 100.000 Euro seine Einflussnahme auf die EU-Gesetzgebung zusicherte, sollen am kommenden Montag als Zeugen aussagen.

Letzteres wollte offenbar ein anonymer Briefschreiber verhindern, der in einem undatierten, an den englischen Anwalt der Journalisten gerichteten Fax fälschlicherweise behauptete, die österreichische Justiz ermittle weiter gegen die beiden. In Wahrheit wurden die Untersuchungen wegen Missbrauchs von Tonaufnahme- und Abhörgeräten Ende des Vorjahrs eingestellt.

Omninöses Fax

Ernst Strasser versicherte dem Schöffensenat (Vorsitz: Georg Olschak), er habe mit dem ominösen Fax nichts zu tun. Die Journalisten sollen am Montag ab 11.15 Uhr über eine Videokonferenz mit dem Westminster Magistrate Court in London vernommen werden.

Strassers langjährige Lebensgefährtin Elisabeth K. (45) schilderte dem Gericht, wie sehr sie sich vor Agenten gefürchtet hätte, die ihrer und Strassers Ansicht nach hinter diesem her waren. Zwei Zeugen vom Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) deponierten allerdings, es habe "kein konkretes Bedrohungsszenario" gegeben.

"Der Ernst" habe ihr im Juli 2010 "am Küchentisch" von der vorgeblichen Londoner Lobbying-Agentur Bergman & Lynch erzählt, die "mit einer Consulting-Tätigkeit" an ihn herangetreten sei, gab Elisabeth K. zu Protokoll. Ihr Partner habe diese für "nicht koscher" erklärt und ihr gesagt, dass es sich dabei um eine "Scheinfirma" handle.

Ihr und "dem Ernst" sei klar gewesen, dass es sich dabei um einen Geheimdienst handeln musste, zumal an den vorangegangenen Monaten in ihr gemeinsames Büro eingebrochen und ein Laptop gestohlen worden sei. Außerdem sei das BVT an sie herangetreten und habe vor Spionen gewarnt.

"Vom BVT im Stich gelassen"

"Was soll's denn sonst sein außer a Dienst", habe Strasser über Bergman & Lynch gemeint, erzählte Elisabeth K. Bereits als Innenminister sei ihr Lebensgefährte "Zielobjekt" eines Geheimdiensts gewesen und damals vom BVT "schmählich" im Stich gelassen worden. Daher habe sie sich nicht gewundert, als er ihr nun mit den Worten "Ich brauch' hieb- und stichfeste Beweise, diese Schweine hol' ich mir" ankündigte, die vermeintlichen Agenten im Alleingang enttarnen zu wollen.

Sie habe sich gefürchtet, aber "der Ernst" habe sie beruhigt ("Ich hab' einen Weg gefunden, gib mir noch a bisserl Zeit"), schilderte die 45-Jährige: "Mein Partner ist der erste Polizist in diesem Land gewesen. Ich war der Meinung, er weiß schon, was er tut."

Im Unterschied zu ihren Angaben erläuterten die BVT-Beamten, Strassers Lebensgefährtin wäre an sie herangetreten und habe um Hilfe gebeten: "Sie hat sich besorgt gezeigt über das strategische Umfeld von Doktor Strasser". Von einem russischen Nachrichtendienst und "Unregelmäßigkeiten" sei zunächst die Rede gewesen.

Strasser wäre aufgrund seiner damaligen politischen Funktionen theoretisch womöglich von Interesse für einen Nachrichtendienst gewesen, es habe aber "kein konkretes Wissen, dass er eine Person ist, die im Fokus stehen könnte" gegeben. Man habe bei Strasser und seiner Partnerin "eine Sensibilisierung durchgeführt", hielten die Beamten fest.

Die Verfassungsschützer gingen aber offenbar nicht davon aus, dass der Ex-Innenminister von Spionen bedrängt wurde. "Für uns war damals nichts Konkretes dabei", deponierten die BVT-Beamten.

Ob der Strasser-Prozess wie vorgesehen am Montag zu Ende gehen wird, steht nicht hundertprozentig fest. Strasser Anwalt Thomas Kralik hat die Verschriftlichung sämtlicher Telefonprotokolle beantragt, worüber der Senat erst am Montag entscheiden wird. Auf Wunsch Kraliks soll am Montag auch noch ein ranghoher heimischer Polizist als Zeuge aussagen.

Auf eine ehemalige Assistentin des Ex-Innenministers dürfte unterdessen ein Verfahren wegen falscher Zeugenaussage zukommen. Die 31-Jährige hatte im vergangenen Dezember als Zeugin im Strasser-Prozess unter Wahrheitspflicht erklärt, nach Auffliegen der Bestechungsaffäre im März 2011 keinen Kontakt zu Strasser mehr gehabt zu haben. Eine nachweislich nicht korrekte Darstellung: Wie das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) herausfand, gab es allein zwischen 31. März und 10. April 2011 neun Telefonate und zwölf SMS zwischen der jungen Frau und ihrem Ex-Chef.

Staatsanwältin Alexandra Maruna vermutet, der Ex-Innenminister könnte bei diesen Gesprächen auf seine frühere Assistentin eingewirkt haben: Bei ihrer ersten polizeilichen Befragung hatte diese nichts von angeblichen Geheimdienst-Warnungen Strassers erwähnt, während sie diese nach den Telefonaten bei ihrer zweiten Einvernahme plötzlich von sich aus ins Spiel brachte.