Nicht einmal Weihnachtsferien sind Obama vergönnt. Statt sich noch ein paar Tagen mit Frau und Kindern unter der tropischen Sonne auf Hawaii zu aalen, kehrt er jetzt in den Schlamassel des Washingtoner Etatstreits zurück. Es ist die erste große Herausforderung für den US-Präsidenten seit seiner Wiederwahl im November - doch die Chancen auf eine Einigung schwinden rapide. Stürzen die USA von der berühmten Fiskalklippe?

"Hoffnungen geringer geworden"

"Die Hoffnung auf einen Erfolg scheinen über Weihnachten geringer geworden zu sein", schreibt die "Washington Post" am Donnerstag düster. Tatsächlich tickt die Uhr immer lauter, bis Silvester läuft die Frist. Erste Stimmen aus dem Kongress malen schon ein Scheitern an die Wand. Monatelang hieß es, bis zum Jahresende müssen sich Demokraten und Republikaner geeinigt haben, sonst treten automatische Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen in Kraft, die die USA in die Rezession stürzten könnten. Doch wie gefährlich ist die Sache wirklich?

Besonnene Experten haben schon immer zu Bedenken gegeben, unmittelbar zum Jahresbeginn dürfte ein Scheitern zunächst nicht in die Katastrophe führen. Denn höhere Steuern und Ausgabenkürzungen sind nicht gleich am 2. Jänner spürbar, sondern greifen eher langsam. Also: Viel Geschrei um nichts? Nicht ganz. Die unmittelbar drohende Gefahr sind die Finanzmärkte und die Ratingagenturen. Bei einem Scheitern könnten die internationalen Märkte mit Nervosität und Unruhe reagieren, die Aktienkurse könnten ins Trudeln geraten, eine oder mehrere Ratingagenturen könnten die Bonität der USA ankratzen.

Doch bisher sind die Märkte erstaunlich stabil. Und auch die Herabstufung der Kreditwürdigkeit durch S&P nach dem Finanzdebakel 2011 hat der Kreditwürdigkeit der USA nicht wirklich geschadet. Christine Lagarde, die Chefin den Internationalen Währungsfonds IWF, hatte schon vor Wochen benannt, worum es im Kern geht: Vertrauensverlust. Wenn die größte Volkswirtschaft der Welt nicht in der Lage ist, ihre Finanzkalamitäten rechtzeitig in den Griff zu kriegen, ist das nicht gerade ein Signal der Hoffnung für die globale Wirtschaft.

Tatsächlich geben sich die Protagonisten des Streits in Washington nur wenige Tage vor Ablauf der Frist erstaunlich cool. Zwar kehrten die Senatoren am Donnerstag nach Washington zurück. Doch ein konkreter Vorschlag lag nicht auf ihrem Tisch. US-Medien berichten, es habe über die Feiertage nicht einmal echte Verhandlungen hinter den Kulissen gegeben.

Auch aus dem Senat, wo die Demokraten die Mehrheit haben, kamen bisher keine Signale, dass dort ein Durchbruch gelingt. Außerdem müsste ein wie auch immer gearteter Gesetzentwurf danach durch das Abgeordnetenhaus, wo die fundamentalistischen Tea-Party-Anhänger erst in der letzten Woche den Aufstand geprobt und Republikaner-Führer John Boehner eine schwere Niederlage zugefügt haben.

Kernproblem weiter ungelöst

Inhaltlich ist das Kernproblem nach wie vor ungelöst: Zwar sind sich beide Lager einig, dass es für die große Mehrheit der Amerikaner keine Steuererhöhungen geben dürfe. Doch bei den Besserverdienern gehen die Meinungen weit auseinander: Obama will, dass Reiche mit einem Haushaltseinkommen von über 250 000 Dollar im Jahr höhere Abgaben zahlen - viele Republikaner lehnen höhere Steuern kategorisch ab.

Die "New York Times" geht davon aus, dass die Republikaner erst einmal ein paar Tage abwarten wollen. Am 3. Jänner wollen die Republikanerabgeordneten ihren Mehrheitsführer Boehner wiederwählen - danach sei die Lage erst mal entspannter.