Ägypten hat von nun an eine islamistisch geprägte Verfassung. Präsident Mohammed Mursi setzte das umstrittene Regelwerk nach Veröffentlichung der Ergebnisse der Volksabstimmung am späten Dienstagabend mit seiner Unterschrift in Kraft. Damit ist der Weg für Parlamentswahlen frei, die in rund zwei Monaten stattfinden sollen. Mursi zufolge schafft die neue Verfassung die Voraussetzung dafür, den politischen Aufruhr im Land zu beenden, und erlaubt ihm, sich auf die Sanierung der angeschlagenen Wirtschaft zu konzentrieren. Die USA und der deutsche Außenminister Guido Westerwelle riefen Mursi auf, jetzt die aufgerissenen politischen Gräben im Land zu überwinden.

In den zwei Durchgängen des Referendums votierten 63,8 Prozent der Wähler für den Verfassungsentwurf. Die Wahlkommission erklärte, es seien keine schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten entdeckt worden. Allerdings lag die Wahlbeteiligung nur bei knapp 33 Prozent, was Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abstimmung nicht ausräumen dürfte. Viele Oppositionelle, die vor knapp zwei Jahren dabei halfen, Präsident Hosni Mubarak zu Fall zu bringen, sehen sich um die Früchte ihrer Anstrengungen gebracht. Sie kritisieren die neue Verfassung als zu islamistisch. So werde es dem Klerus erlaubt, sich in den Gesetzgebungsprozess einzumischen, außerdem seien Minderheiten nicht ausreichend geschützt. Nach der Parlaments- und der Präsidentenwahl ist es der dritte Wahlsieg für die Islamisten seit dem Sturz Mubaraks.

Die USA riefen Gegner und Befürworter der Verfassung auf, die Spaltung des nordafrikanischen Landes zu überwinden. Mursi habe in dieser Frage eine besondere Verantwortung, sagte ein Sprecher des Außenministeriums. Der deutsche Außenminister Westerwelle forderte Mursi am Mittwoch auf, "jetzt auf alle gesellschaftlichen Kräfte zuzugehen und die politischen Kompromisse zu suchen, die alle Ägypter einbinden und auf diesen Weg mitnehmen können." Mursi wollte sich am Samstag vor dem Oberhaus äußern, das der neuen Verfassung zufolge für eine Übergangszeit die gesamte Gesetzgebungskompetenz innehat.

Die seit Monaten anhaltende politische Krise schreckt zunehmend Investoren und Touristen ab und führt auch zu Unruhe in der Bevölkerung. Aus Sorge vor einem Ansturm auf die Geldhäuser verbot die Regierung Einzelpersonen, mehr als umgerechnet 7.500 Euro in ausländischen Währungen außer Landes zu bringen oder einzuführen. Die Behörden fürchten, dass die Bevölkerung ihre Konten räumt und damit das ägyptische Pfund unter Druck setzt. Viele Ägypter haben Angst vor einen weiteren Absturz der Wirtschaft. Am Montag hatte die Ratingagentur S&P die Bonität des bevölkerungsreichsten arabischen Landes gesenkt.

Nach Einschätzung von Ökonomen muss Mursi zügig handeln, um das immense Haushaltsdefizit mithilfe von Sparmaßnahmen unter Kontrolle zu bringen. Besonders schwierig dürfte es für Mursi werden, Steuern zu erhöhen und die populären Kraftstoff-Subventionen abzuschaffen. Einen Vorgeschmack bekam der Präsident bereits kurz vor der Abstimmung. Auf Drängen der Medien und der Opposition musste er höhere Mehrwertsteuern auf Alkohol, Zigaretten und Handygespräche wieder zurücknehmen.