Zwei Tage vor den FIFA-Präsidentschaftswahlen droht dem Internationalen Fußball-Verband (FIFA) der nächste riesige Skandal. Die Schweizer Staatsanwaltschaft eröffnete am Mittwoch ein Strafverfahren rund um die Vergaben der Fußball-Weltmeisterschaften 2018 an Russland und 2022 an Katar. Wenige Stunden zuvor waren mehrere FIFA-Mitglieder auf Anordnung der US-Justizbehörden festgenommen worden.

Laut US-Justizministerium sind mit Jeffrey Webb von den Cayman-Inseln und dem Uruguayer Eugenio Figueredo auch zwei Stellvertreter von FIFA-Präsident Joseph Blatter festgenommen worden. Die Schweizer Behörden teilten mit, dass sechs FIFA-Mitglieder in Haft genommen worden seien, das US-Justizministerium sprach sogar von sieben. Die Verfahren und polizeilichen Maßnahmen stehen allerdings in keinem Zusammenhang, betonten die Schweizer Behörden.

"Ungetreue Geschäftsbesorgung"

Beim Verfahren wegen der WM-Vergaben geht es nach Angaben der Schweizer Bundesstaatsanwaltschaft um den Verdacht "der ungetreuen Geschäftsbesorgung sowie des Verdachts der Geldwäscherei gegen unbekannt". Dabei wurden im Hauptquartier des Weltverbandes in Zürich elektronische Daten und Dokumente sichergestellt.

Zuvor sei bereits bei verschiedenen Finanzinstituten in der Schweiz "die Erhebung der betreffenden Bankunterlagen angeordnet" worden, hieß es von der Bundesstaatsanwaltschaft. Verbandsjuristisch waren die umstrittene WM-Vergaben an Russland und Katar eigentlich abgeschlossen, geraten jetzt aber erneut in den Fokus.

Die FIFA begrüßte die Maßnahme der Staatsanwaltschaft "im Sinne der Transparenz", allerdings gab Kommunikationschef Walter de Gregorio zu: "Das Timing ist nicht das beste: Die Eröffnung des Strafverfahrens gleichzeitig mit dem FIFA-Kongress", der am (morgigen) Donnerstag beginnt und dann wie geplant mit der Wahl des FIFA-Präsidenten am Freitag fortgesetzt wird.

Weltmeisterschaften finden statt

Doch trotz des Strafverfahrens werde laut De Gregorio an den WM-Vergaben nicht gerüttelt. "Die Weltmeisterschaften 2018 und 2022 finden in Russland und Katar statt. Ich fange nicht an zu spekulieren", sagte der Medienchef.

Im Falle der Festgenommenen bestätigte das Schweizer Bundesamt für Justiz, dass die Verdächtigen in Auslieferungshaft genommen wurden. Ihnen droht die Abschiebung in die USA - die Ermittlungen gehen von den Vereinigten Staaten von Amerika aus. Den Personen wird von US-Ermittlern Betrug, Erpressung und Geldwäsche vorgeworfen.

Zu den Verdächtigen gehören auch Webb und Figueredo und damit zwei Stellvertreter von Blatter, der allerdings laut FIFA ebenso wie sein Generalsekretär Jerome Valcke nicht zu den Verdächtigen gehören soll. Der brasilianische Spitzenfunktionär Jose Maria Marin - maßgeblich an der WM-Organisation 2014 beteiligt - soll ebenfalls unter den Beschuldigten sein. Zudem steht das designierte FIFA-Exekutivkomiteemitglied Eduardo Li aus Costa Rica unter Verdacht.

14 Personen beschuldigt

Insgesamt 14 Personen, davon neun hochrangige FIFA-Funktionäre, seien wegen organisierten Verbrechens und Korruption beschuldigt, teilte das US-Justizministerium am Mittwoch mit. Auch der frühere FIFA-Vizepräsident Jack Warner aus Trinidad und Tobago, der 2011 nach Korruptionsvorwürfen von seinen FIFA-Ämtern zurücktrat, gehört zu den Beschuldigten.

Laut Schweizer Behörden geht es um Bestechungszahlungen von über 100 Millionen Dollar (91,52 Mio. Euro) seit den 1990er-Jahren. Ein Sprecher des Schweizer Bundesamts für Justiz sagte, das Geld sei von Sportmedien- und Sportvermarktungsunternehmen gekommen. Als Gegenleistung hätten sie Medien-, Sponsoring- und Vermarktungsrechte an Fußball-Turnieren in den USA und Lateinamerika erhalten. Die Namen der Festgenommenen sollen noch am Mittwoch offiziell bekanntgegeben werden.

Die Polizeiaktion fand Mittwochfrüh im Zürcher Nobelhotel Bar au Lac statt. Der Kongress mit der Wahl des FIFA-Präsidenten am Freitag soll allerdings "definitiv" stattfinden, stellte De Gregorio klar. "Wir machen weiter mit unserer Agenda." Auch Forderungen nach einem Blatter-Rücktritt wies der FIFA-Sprecher entschieden zurück. "Warum soll er zurücktreten? Er wird nicht verdächtigt."

Zumindest Webb ist ein ganz enger Vertrauter des Schweizers Blatter. Der Präsident der Nord- und Mittelamerika-Konföderation (CONCACAF), vergleichbar mit der Position von UEFA-Boss Michel Platini in Europa, ist auch Chef der von Blatter hochgelobte Anti-Diskriminierungs-Task-Force und Mitglied des inneren Machtzirkels der FIFA. Das US-Justizministerium ordnete am Mittwoch eine Hausdurchsuchung am CONCACAF-Sitz in Miami an.

Blatter bleibt Favorit

Der 79-jährige Blatter geht als großer Favorit in die Wahl für eine fünfte Amtszeit beim FIFA-Kongress. Einziger Gegenkandidat ist Prinz Ali bin al-Hussein aus Jordanien, dem praktisch keine Siegchancen eingeräumt werden. Der FIFA-Kongress soll Donnerstagnachmittag mit einer Feier in einem Zürcher Theater beginnen. Al-Hussein drückte in einer ersten Reaktion seine Sorge aus: "Heute ist ein trauriger Tag für den Fußball." Für eine detaillierte Bewertung der Vorfälle sei es aber noch zu früh.

In den USA laufen seit längeren Untersuchungen des FBI gegen frühere FIFA-Funktionäre. Der ehemalige US-Verbandschef Chuck Blazer und der frühere Blatter-Stellvertreter Warner gehören zu Beschuldigten in diversen Korruptionsverdachtsfällen. Blazer soll zuletzt mit den US-Behörden kooperiert haben und unter anderem bei den Olympischen Sommerspielen 2012 in London per verstecktem Mikrofon Aufzeichnungen von Funktionärsgesprächen gemacht haben.

Weitere Untersuchungen

Auch die WM-Vergabe 2022 an Katar, bei der der US-Fußballverband im Dezember 2010 überraschend dem Emirat unterlag, wird in den USA weiterhin untersucht. Die internen FIFA-Untersuchungen zu den Korruptionsvorwürfen waren im vergangenen Dezember ergebnislos eingestellt worden. Ermittler Michael Garcia aus den USA trat deswegen wenig später von seinem Posten als Chef der investigativen Einheit der FIFA-Ethikkommission zurück. Um die Veröffentlichung seines Reports wird im Weltverband weiterhin gestritten.

Zuletzt hatte Blatter Vermutungen zurückgewiesen, dass er eine Reise in die USA wegen der dort laufenden Ermittlungen seit längerem bewusst vermeide. Die Anschuldigungen richteten sich nicht gegen ihn, hatte der Schweizer Anfang des Monats betont.