WIEN. Zumindest einer der zwei englischen Journalisten, die Lockvogel-Gespräche mit dem früheren EU-Delegationsleiter der ÖVP, Ernst Strasser, heimlich mit gefilmt und so die Affäre publik gemacht haben, soll sich nun doch am Prozess gegen Strasser in Wien beteiligen.

Richter Georg Olschak will mit Jonathan Calvert Kontakt aufnehmen und ihn für 13. Dezember oder 11. Jänner einladen, sagte er zur Kleinen Zeitung.

Gleichzeitig wolle er vom Gerichtspräsidenten im Wiener Landesgericht ein Foto- und Filmverbot verhängen lassen, um Clavert entgegen zu kommen. Denn dieser will weiter Aufdeckungsjournalist bleiben und seine Identität geheim halten. Denkbar ist laut Olschak zumindest eine Videoschaltung aus dem Wiener Schwurgerichtssaal nach England.

Calverts nun mehr bekundete Bereitschaft steht für den Richter in unerklärlichem Gegensatz zu früheren Angaben des Anwalts der "Sunday Times", der Journalist benötige umfassenden Schutz und könne daher nicht persönlich erscheinen.

Der vierte Prozesstag gegen den wegen Bestechlichkeit angeklagten Ex-Politiker Strasser hat am Montag nur kurz gedauert, weil einige Zeugen fehlten. Strasser wurde erneut befragt, warum er die als Lobbyisten getarnten Journalisten über längere Zeit sechs Mal getroffen habe und sie nicht angezeigt hat, weil sie ihm 100.000 Euro geboten hatten, falls er EU-Gesetze beeinflusse. "Sie hätten ja zur Polizei gehen können und sagen, mein Name ist Strasser, es warat wegen eines Bestechungsversuchs". Strasser verteidigte sich erneut, er habe keine handfesten Beweise gehabt und deshalb nichts unternommen. "Aus heutiger Sicht mache ich mir diesen Vorwurf auch", erklärte der Angeklagte auch auf die Frage, warum er nicht einmal ein Gedächtnisprotokoll von den Treffen angelegt, er nur seine Lebensgefährtin Elisabeth, die sich der Aussagen entschlägt, über die Sache informiert habe.

WOLFGANG SIMONITSCH