Es waren harte Monate für die Grünen. Im Mai kündigte der Grazer Bürgermeister die Koalition mit Lisa Rücker. Im September fiel mit Rudi Anschober einer der populärsten Grünpolitiker mit Burn-out aus. In Wien, dem wichtigsten Stimmenmarkt für die urbane Partei, tobt seit Monaten der Kampf um das Parkpickerl. Zuletzt verliert die Grazer Stadtpartei gleich 2,6 Prozentpunkte. Die Proteststimmen kassieren die Kommunisten.

"Strukturell begrenzt"

Warum nützen Öko-Boom, Klimakatastrophen und Korruptionsskandale nicht der Partei, die Gerichtssäle nur von außen kennt und schon immer vor verschwenderischem Umgang mit den Ressourcen gewarnt hat? Warum wächst die Partei in Deutschland, regiert sogar in einem wichtigen Bundesland und nicht bei uns? Kurz, machen unsere Grünen etwas falsch? "Die Grünen sind strukturell begrenzt", meint der Politikberater Peter Hajek. "Sie können nur im urbanen Raum punkten". Und sie haben Konkurrenz dort, "in Graz die Kommunisten".

Generell traue man den Grünen immer mehr zu, als sie dann wirklich umsetzen könnten. 20 bis 25 Prozent sei das Potenzial der Partei, wenn man die Leute fragt, ob sie sich vorstellen könnten, sie zu wählen. Nicht alle tun es dann auch. Als Spezialist für Kommunikation meint Hajek: "Manchmal sind sie zu wenig populistisch, zu wenig bereit, ihre Ideen und Konzepte auf die Menschen herunterzubrechen". Der Politologe Peter Filzmaier rät sogar offen zu "mehr Mut zum Populismus".

Einer der jüngsten Wahlsprüche gehe da schon eher in die richtige Richtung, meint Hajek: "100 Prozent Bio, 0 Prozent korrupt". Sonst aber erinnere ihn die Partei manchmal daran, was Gregor Gysi einst über seine PDS gesagt hatte: "Wir haben nie verstanden, uns einfach auszudrücken". Den Vergleich mit Deutschland hält Hajek für wenig aussagekräftig. In Stuttgart hat der Streit um den Bahnhof die Grünen an die Spitze des Bundeslandes gehievt, im Bund habe ihnen die Katastrophe von Fukoshima geholfen.

"Je bürgerlicher der Habitus des Spitzenkandidaten, desto besser für die Grünen", sagt Hajek. Auch Rudi Anschober, der erkrankte stellvertretende Landeshauptmann Oberösterreichs, wirke nicht wie der klassische Linke. Der Idealfall eines grünen Parteichefs ist für Hajek Professor Alexander van der Bellen. Peter Pilz oder Madeleine Petrovic wären schwerer vermittelbar gewesen, meint er. "Österreich ist ein konservatives Land". Das gelte sogar für die alte Linke in Österreich, meint Hajek. "Auch die war zuletzt in den zwanziger Jahren revolutionär".

Eva Glawischnig? Die sei in ihrer Wählerschaft gut positioniert, strahle aber kaum über die Grenzen der Partei hinaus. "Sie ist keine, der die Herzen zufliegen", meint Hajek, aber das treffe ja auf die meisten Politiker zu: "Kaum einer löst einen Lady-Di-Effekt aus". Die Lage in Wien beurteilt Hajek nicht so negativ. Sein Institut hat die Stimmung vor und nach der Einführung des Parkpickerls getestet und einen rapiden Wandel in kurzer Zeit festgestellt. Vor dessen Einführung glaubten nur 29 Prozent an eine Verbesserung der Lage, kurz nachher, als auf einmal Parkplätze frei waren und der Verkehr nachließ, 60 Prozent.

Peter Filzmaier gibt den Grünen gute Chancen, bei der Wahl im Herbst zuzulegen. Zwei Optionen sieht der Politologe für die Partei. Entweder sie entschließt sich, Risiko einzugehen, oder sie lasse sich einfach ein bisschen belohnen fürs Bravsein. Für das Spiel mit dem Risiko listet Filzmaier wieder Varianten auf. Etwa eine klare Koalitionsansage, die einen Lagerwahlkampf nach sich zieht. Das Modell für einen solchen - Rot-Grün in Wien - steckt aber gerade in einem Popularitätstief: ungünstig für einen Lagerwahlkampf.

Die "Mission 20"

Die Grünen könnten sich auch eine Zielmarke setzen, meint Filzmaier. "Mission 20" nennt er es, wenn die Partei öffentlich erklärt, die 20-Prozent-Marke überspringen zu wollen. Die Grünen könnten aber auch klar auf Pensionisten setzen. In dieser Zielgruppe haben Grüne nur zwei bis vier Prozent, und die Wählergruppe ist riesig. Die "Asiatische Variante" nennt Filzmaier, wenn die Partei wartet, bis ihre Sympathisanten in dieses Alter kommen - also 20 bis 30 Jahre. Ganz risikofrei wäre es, einfach mit dem Sauberkeitsbonus ein paar Prozentpunkte einzufahren.

Filzmaier hat sogar einen Plan, wie aus seinen Vorschlägen Strategien werden könnten: ein Brainstorming. Ob die Delegierten dafür Zeit finden?