Die Verteidigungsstrategie des Angeklagten wackelt gehörig. Es ist wie verkehrte Welt: Ernst Strasser behauptet, er habe sich von Geheimdienstlern verfolgt gefühlt und diese aushorchen und später auffliegen lassen wollen. Die am zweiten Tag des Prozesses gegen den Ex-ÖVP-Politiker, dem Bestechlichkeit als früherer EU-Mandatar zur Last gelegt wird, über vier Stunden im verdunkelten Schwurgerichtssaal des Wiener Landesgerichts abgespielten Videos von zwei Treffen mit getarnten Journalisten, der britschen Sunday Times zeigen eher das Gegenteil.

Auch wenn zunächst über weite Strecken nur Gläserklirren in einem Brüssler Restaurant zu hören und Strasser, offenbar von einer Knopflochkamera gefilmt, hauptsächlich verschwommen zu sehen war: Er stellte binnen Stunden nur zwei harmlose Fragen. Etwa, "wie sind Sie auf mich gekommen?". Zu sehen war fast nur ein leutseliger, geschwätziger Strasser, der mit der Speisekarte in der Hand "ich muss wegen meines Körpers vorsichtig sein" zum Besten gab oder davon erzählte, "Sohn eines kleinen Bauern" und deshalb politisch in der Mitte zu stehen.

Noch diensteifriger gab er sich bei einem zweiten Treffen in London, dessen Details in Abschriften mitlesbar waren. Strasser antwortet wie aufgezogen auf Fragen seiner getarnten Gesprächspartner, die ihm 100.000 Euro versprachen, falls er EU-Gesetze für sie beeinflusse.

Strasser prahlt, was er alles für seine Kunden etwa bei der Deutschen Regierung bereits erreicht habe, gestikuliert, faltet die Hände oder verschränkt sie über den Kopf und macht ganz auf Verschwörer: "Wir müssen vorsichtig sein", streut er gelegentlich ein, wenn er detailreich Strategien darlegt, wie EU-Parlament und Kommission von Lobbyisten gelenkt werden könnten.

Wortreich legt er dar, was er alles, selbst zur Einführung von genmanipuliertem Mais tun könne. Oder, wie er sich um arbeitsintensive Jobs im Parlament drücke, um "hier zu sitzen und meinen Job machen" zu können.

Dann macht er sich - obwohl er behauptet, in seinen Gesprächspartnern US-Geheimdienstler vermutet zu haben - über die CIA ("ineffizient) oder US-Küstenwache ("schlecht organisiert") lustig, bis er auf den Kern zu sprechen kommt: "Wenn Sie meine Dienste wollen, müssen Sie sich entscheiden". Nachsatz: "Schicken Sie mir einen Vertrag, ich unterschreibe und wir starten".

Auch Mails, die belegen, dass Strasser Gesetze ändern wollte, belasten ihn erneut. Am Donnerstag wird weiterverhandelt.