Frau Ministerin, die Lehrerbesoldung ist noch immer nicht fertigverhandelt, da bricht plötzlich Streit über die Ganztagsschulen aus. War das Ablenkung?

CLAUDIA SCHMIED: Nein. Es sind immer alle Deutungen möglich, aber diese entbehrt jeder Grundlage. Dass das Dienst- und Besoldungsrecht bis zur Regierungsklausur nicht fertig wird, war allen, die an dem Thema arbeiten, klar.

Belastet der Streit das Klima?

SCHMIED: Nein. Es ist aber etwas an diesem Freitag passiert, das ich so nicht erwartet hätte - dass wir nämlich bei diesem so wichtigen Thema tiefer diskutiert haben. Es ist sehr klar ausgesprochen worden, dass die Regierung zum Dienst- und Besoldungsrecht der Lehrer eine gemeinsame Dienstgeberposition braucht, hinter der zu hundert Prozent sowohl die SPÖ als auch die ÖVP steht.

Darauf hätte man früher auch schon kommen können.

SCHMIED: Da haben Sie recht. Ich habe von Anfang an auch immer gesagt, die Finanzministerin muss mit am Verhandlungstisch sitzen. Nicht nur wegen der Finanzierungsfragen, sondern weil die Regierung eine gemeinsame Position vertreten muss.

Behindert Sie die Wahlkampfrhetorik um die Ganztagsschule nicht bei ihrem schwierigsten Projekt, der Einigung mit den Lehrern?

SCHMIED: Was ich auf gar keinen Fall will ist eine Situation wie im Jahr 2009, dass die wichtigsten Personen in der Schulentwicklung, die Lehrer, gegen mich aufgebracht sind. Das würde alles konterkarieren, was wir in mühevoller, hartnäckiger Arbeit aufgebaut haben. Daher ist es mir so wichtig, das Dienstrecht Hand in Hand mit der ÖVP sozialpartnerschaftlich umzusetzen.

Hat die ÖVP bei den Lehrerverhandlungen bisher quergetrieben?

SCHMIED: Ich würde das nicht als Quertreiben bezeichnen. Natürlich gibt es gerade in der Politik auch Intriganten - "Josef Fouchés" - in der zweiten und dritten Reihe. In diesem Fall ist es aber ein Rollenkonflikt in den eigenen Reihen der ÖVP, zwischen Partei und Gewerkschaft öffentlicher Dienst. Ein Rollenkonflikt, den die SPÖ aus anderen Konstellationen auch kennt.

Zurück zur Ganztagsschule: Viele Eltern wollen ihre Kinder am Nachmittag zum Musikunterricht oder Sportverein schicken und sind deshalb dagegen. Wollen Sie Institutionen wie Konservatorien, Sportvereine einbinden?

SCHMIED: Ja. Auf jeden Fall.

In den Schulen?

SCHMIED: Ja. Die Theatergruppen, Tänzer, Musiklehrer, die Sportler sollen in die Schule kommen. Aber es wird auch eine Verbindlichkeit für die Schüler geben, dieses Programm mitzumachen.

Die Klassen entscheiden das?

SCHMIED: Genau. Daher ist es wichtig, dass es am Beginn eine Elterninformation gibt, ein ausgearbeitetes Angebot der Schulen.

Wird die neue Lehrerbildung 2014 losgehen?

SCHMIED: Es wird einen Stufenplan in der Umsetzung geben. Mir ist wichtig, dass das Gesetz vor Weihnachten in die Begutachtung geht und im Idealfall im ersten Quartal an das Parlament. Ich will auch das Studienjahr 2013/14 österreichweit einheitlich mit dem Aufnahme- und Eignungsverfahren beginnen.

Schulschwänzen bestrafen Sie, wird es auch Strafen fürs "Schwänzen" von Lehrern geben?

SCHMIED: Ich muss jetzt die Lehrer in Schutz nehmen, weil wir im Augenblick so viele Projekte in Umsetzung haben, dass wir die Fortbildung am Schulstandort intensivieren.

Snowboard- oder Feldenkrais-Kurse sind da aber nicht dabei.

SCHMIED: Die würde ich da nicht dazurechnen. Wir müssen im Dienst- und Besoldungsrecht die Fort- und Weiterbildung schwerpunktmäßig in die unterrichtsfreie Zeit legen, die ja nicht gleichzeitig die Urlaubszeit ist.

Da werden Sie sich wieder beliebt machen!

SCHMIED: Ja, aber das ist einfach notwendig. Bei den Pflichtschullehrern haben wir es zum Teil schon, auch die verpflichtende Weiterbildung. Das wird den Lehrern in der Imagebewertung mit Sicherheit gutgeschrieben.

Wie wird der Ethikunterricht?

SCHMIED: Das ist die große Frage. Das Spektrum reicht von der ÖVP-Position Ethik als Ersatz für jene, die sich vom Religionsunterricht abgemeldet haben bis zu Ethik als Unterrichtsfach für alle. Es ist ein so wichtiges Thema, das wir mit einer größeren parlamentarischen Mehrheit beschließen sollten.

Wo stehen Sie?

SCHMIED: Ich habe nicht d i e Lösung. Aber die Vorstellung, dass es ein reines Ersatzprogramm ist für diejenigen, die sich vom Religionsunterricht abmelden, scheint mir zu kurz zu greifen.

Statt Religionsunterricht?

SCHMIED: Nein, das Konkordat greifen wir sicher nicht an. Wir haben zwar viele Bälle in der Luft, aber mit dem Vatikan ...

Wann soll das kommen?

SCHMIED: Ich habe es nicht so eilig, aber ich höre, dass es der ÖVP ein großes Anliegen ist.

Gegen Ende der Legislaturperiode: Haben Sie Ihre Ziele erreicht?

SCHMIED: Ich bin sehr stolz, dass wir es gemeinsam bisher geschafft haben, 54 Regierungsvorlagen im Bildungsbereich zu verabschieden. In den sechs Jahre davor waren es 16. Die Dynamik ist da, der Zugang ist richtig, Mut zur Gleichzeitigkeit ist entscheidend und auch ein Stück Pragmatismus, also immer die machbaren Schritte in die richtige Richtung zu setzen. Das große Ziel ist vor uns, die gemeinsame ganztägige Schule.

Haben Sie den Eindruck, dass die Bastionen bröckeln - in der ÖVP zur Schulfrage und in Ihrer Partei zur Universitätspolitik?

SCHMIED: Mein Eindruck ist, ja. Was Christoph Leitl zur Ganztagsschule sagt oder die Industriellenvereinigung, was einzelne Landeshauptleute und generell der Wirtschaftsflügel sagt, differenziert sich stärker aus. Ähnlich ist es auch bei uns in einzelnen Bereichen. Was die Reparatur der Studiengebühren betrifft, wäre das für mich schon früher naheliegend gewesen. Auch in die Studienplatzfinanzierung einzusteigen, ohne dass man gleich nervös wird. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass Studienplatzfinanzierung auch ein Mengengerüst bedeuten muss.

Sie werden viel geprügelt quer durch die Medien, auch in der Partei. Wie erklären Sie selbst sich das?

SCHMIED: Vielleicht weil ich ein Stück anders bin, vielleicht weil ich hartnäckiger auf Themen drauf bleibe. Wenn jemand häufig seinen Standpunkt wechselt, eignet er sich nicht als Projektionsfläche. Wenn man zu seinem Standpunkt steht, ist man auch als Zielscheibe verlässlich da. Das könnte ein Grund sein.

Ein Reibebaum der ÖVP?

SCHMIED: Wir sind in einer Koalitionsregierung, beim Bildungsthema unterscheiden wir uns in einzelnen Teilen sehr. Ein konservativer Teil der ÖVP sieht die Welt und das Menschenbild anders als ich. Das ist ein gewisser Reibepunkt. Zu einem konservativen Weltbild passe ich nicht wirklich, ob es das Familienbild ist, ob das die Haltung den Menschen gegenüber ist, da ist eine Unterscheidung da.

Vielleicht weil sie zwar viele Maßnahmen setzen, ihre Ziele aber in einer Legislaturperiode nicht zu erreichen sind.

SCHMIED: Wenn man die Ziele nur so weit formuliert, dass sie sich mit den Maßnahmen decken, geht man vielleicht unbeschwerter durchs Leben. Große Ziele erreicht man so nicht.