Nein, man kann nicht unbedingt behaupten, der morastige Themenkreis Inserate und Politik(er) sei im nun zu Grabe getragenen Untersuchungs-Ausschuss erschöpfend geklärt worden. Das Wort "befriedigend" will man erst gar nicht in den Mund nehmen. Der einstige Infrastrukturminister und jetzige Bundeskanzler hatte sehr überschaubare Motivation dort Rede und Antwort zu stehen. Ohne Einladung der Abgeordneten könne er doch nicht so einfach im Plenum erscheinen, hielt sich Werner Faymann an seine ganz eigene Etikette. Österreich darf/muss die in vielerlei Hinsicht interessante Causa also in die schon überquellende Schublade "unerledigt, ungeklärt und unerhört" stecken..?

"Anzeigen-Schweige-Spirale"

Nein, noch nicht so ganz - gräbt und bohrt jetzt doch das Team der Website www.dossier.at unter dem Titel "Die Anzeigen-Schweige-Spirale" tiefer. Freilich kein unbeschwerliches und ungestörtes Unterfangen. Unter der Überschrift "Inserate als Staatsaffäre" widmet man sich zunächst dem Vorwurf, Faymann habe ÖBB- und Asfinag-Inseratendeals mit befreundeten Medien eingefädelt (die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen laufen, eine Anklage gilt bislang als unwahrscheinlich, es gilt natürlich auch hier die Unschuldsvermutung) - um dann Wien und die dort sehr potent vertretene Gratiszeitschrift "Heute" ins Visier zu nehmen. Ungewöhnlich intensiv sei dort von der Stadt Wien und den ihr zuzuordnenden Unternehmen inseriert worden, ist man sich sicher. Ein großes und wohlig warmes Sprudelbecken für "Heute" und "Kronen Zeitung", gut befüllt von öffentlicher Hand - kurzum: ein Quell beidseitiger Freude?

"Wie die Dossier-Erhebung allerdings zeigt, liegt das Verhältnis zwischen Inseraten aus der Privatwirtschaft und jener von öffentlichen Stellen und Firmen tatsächlich bei 69 zu 31 Prozent". Dann führt man die Vorwürfe noch weiter aus: "Insgesamt schaltete die Stadt Wien gemeinsam mit ihren Unternehmen in knapp siebeneinhalb Jahren 2.443 Seiten Anzeigen - nur in 'Heute'". Als Vergleich: Eine durchschnittliche Bibel kommt in ihrer Einheitsübersetzung auf knapp 1.500 Seiten. Die Stadt Wien habe für sich genommen 1.049 Seiten Annoncen in in der Gratiszeitschrift gebucht - es gehe insgesamt um 29 Millionen Euro, die für Inserate ausgelegt wurden. www.dossier.at stellt wohlwollende Berichterstattung gegen Cash an Stelle von moralischen Grundsätzen auch in einem anderen Fall zur Diskussion: Die Annoncen des Bundeskanzleramtes in "Heute" hätten sich schon im ersten Jahr von Faymanns Amtszeit massiv erhöht, wird vorgerechnet.

Mit Klagen wurde gedroht

Zahlen und Behauptungen, die "Heute"-Herausgeberin Eva Dichand keinesfalls so stehen lassen will - wörtlich ist die Rede von "Verleumdung": "Ich möchte Sie darauf hinweisen, dass wir Ihr Mail mit den falschen Behauptungen an unseren Anwalt weitergeleitet haben", wird sie auf der investigativen Website zitiert. Man habe die Anzeigen von öffentlicher Stelle gar nicht nötig, sei "auch ohne die Stadt Wien" überlebensfähig. Die Zeitschrift könne zu "90 Prozent Handelsinserate" vorweisen, die von www.dossier.at präsentierten Zahlen schlichtweg "unrichtig", will man von den Vorwürfen rein gar nichts wissen.

Eine Fortsetzung der Angelegenheit kann und darf jedenfalls erwartet werden: Das Interesse an den am Boulevard aufgeschlagenen Inseraten scheint im Unterschied zum Untersuchungs-Ausschuss selbst in diesem Land noch ziemlich lebendig.