Das zweite Fernsehduell zwischen US-Präsident Barack Obama und seinem republikanischen Herausforderer Mitt Romney ging am späten Dienstagabend mit einem Unentschieden zu Ende. Die Kommentatoren des US-Fernsehens waren sich einig: Sowohl der Amtsinhaber als auch sein Kontrahent hatten starke und schwache Momente, während sie Fragen von Zuschauern in der Hofstra-Universität von Hempstead im US-Bundesstaat New York beantworteten. Eine Blitzumfrage des Senders CNN bestätigte diese Einschätzung. 46 Prozent der befragten Wählerinnen und Wähler sahen Obama vorn, 39 Prozent seinen Widersacher. Nach Einrechnung der Fehlermarge kommt das einem Unentschieden gleich - mit leichten Vorteilen für Obama.

Obama trat deutlich weniger professoral auf als während des ersten Duells vor zehn Tagen in Denver. Damals war ihm die Lustlosigkeit geradezu anzusehen, am Dienstagabend dagegen zeigte er sich aggressiver und wirkte lockerer. Romney lieferte zwar eine solide Vorstellung ab, konnte aber den klaren Erfolg von Denver nicht wiederholen. Es ist unklar, wie sich die Debatte auf das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Obama und Romney auswirken wird. Klar jedoch scheint: Obama ist zurück und könnte durch seinen Auftritt die leichte Umfragedelle ausgebessert haben, die ihm der fahle Auftritt in Denver eingebracht hat.

Innenpolitische Angriffe

Romney schaffte es erneut, den Präsidenten in der Innenpolitik anzugreifen. Der Multimillionär attackierte Obama pausenlos wegen dessen Regierungsführung, die Amerika nicht aus der Krise geführt habe. Er dagegen sei mit seiner Erfahrung als Businessmann in der Lage, Arbeitsplätze zu schaffen und die Mittelschicht zu stärken, sagte Romney. Auf Einzelheiten seiner Steuerpläne zum Beispiel wollte Romney aber erneut nicht eingehen. Er beharrte darauf, einen Fünf-Punkte-Plan zu haben, der die USA zu alter Stärke führen werde.

Auch Obama gab wenig Details preis. Er konzentrierte sich darauf, die Äußerungen seines Widersachers als unrealistisch darzustellen und die Schuld an der fortwährenden Misere der Politik seines Amtsvorgängers George W. Bush zu geben. Er habe von diesem ein Land übernommen, dass wirtschaftlich in der schlechtesten Verfassung seit der großen Depression der 1930-er Jahre gewesen sei, sagte Obama. Gemessen daran habe er einige Erfolge vorzuweisen.

Romneys Patzer

Es war ein offener Schlagabtausch zwischen den beiden Bewerbern um den Chefsessel im Weißen Haus - bis der Republikaner ins Straucheln geriet. Romney versuchte in der Debatte um die Reaktion der US-Regierung auf den gewaltsamen Tod von vier US-Diplomaten in Libyen zu suggerieren, dass Obama die brisante Situation falsch eingeschätzt habe. Das stelle die gesamte Politik des Amtsinhabers gegenüber der arabischen Welt in Frage. Der Republikaner wurde jedoch von Moderatorin Candy Crowley korrigiert. Obama habe sehr wohl in einer öffentlichen Reaktion auf die Attacken am 11. September im libyschen Bengasi davon gesprochen, dass es sich dabei um einen Angriff von Terroristen gehandelt habe. Romney kam ein wenig ins Stottern.

Der konservative Kandidat erholte sich nur langsam von diesem Patzer. Gegen Ende der Debatte griff er sogar ungefragt ein Thema auf, dass ihn seit einigen Wochen verfolgt. Romney sagte, er wolle sich selbstverständlich als Präsident um 100 Prozent der Amerikaner kümmern. Dieser Satz war für Obama die Gelegenheit, an das Video zu erinnern, dass einen Romney zeigt, der anders redet. Mitte Mai sagte der Republikaner auf einem Fundraising-Dinner im Hause eines Finanzinvestors, dass sich 47 Prozent der Amerikaner als Opfer verstünden, die nicht genügend Bereitschaft aufbrächten, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und sich lieber auf die Zuwendungen des Staates verließen. Später sagte Romney, er habe sich nicht elegant ausgedrückt.

Am Dienstagabend gab ihm Obama cool zu verstehen, dass er nichts von solchen Einteilungen in Schmarotzer und Leistungswillige hält. „Es geht um Soldaten, um Veteranen, um Rentner und Studenten, die vom Staat unterstützt werden. Die haben sich alle angestrengt und das verdient“, sagte Obama.

Wie bei TV-Debatten im US-Wahlkampf üblich schwärmten nach der Debatte Dutzende von Beratern beider Seiten im sogenannten Spin-Room aus, um vor Journalisten das Gesehene und Gehörte zu deuten. Auch hier keine Überraschung: Die Demokraten hielten Obama für den klaren Sieger. Für die Republikaner hieß der Gewinner des Abends Romney.

Noch 20 Tage sind es bis zur Präsidentschaftswahl am 6. November. Noch eine Debatte steht auf dem Programm. Am kommenden Montag treffen sich Obama und Romney zum verbalen Schlagabtausch in Boca Raton in Florida. Dann soll es nur um Außenpolitik gehen. Nach der Libyen-Geschichte vom Dienstagabend dürfte Obama da klar im Vorteil sein.