WASHINGTON. Ein heftiger verbaler Schlagabtausch mit voraussichtlicher geringer Wirkung: Auch nach der TV-Debatte der beiden Bewerber um das Amt des US-Vizepräsidenten dürfte sich am Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen dem Republikaner Mitt Romney und Amtsinhaber Barack Obama wenig verändern.

Sowohl Republikaner als auch Demokraten reklamierten am späten Donnerstagabend den Sieg im Redewettstreit für ihren jeweilen Kandidaten. Eine erste Umfrage des Senders CNN unter registrierten Wählern quer durch die USA ergab ein unklares Bild. 48 Prozent der Befragten sagten, der Republikaner Paul Ryan habe die Debatte gewonnen. 44 Prozent sprachen sich für den amtierenden Vizepräsidenten Joe Biden von den Demokraten aus. Die Fehlermarge wurde von CNN mit fünf Prozentpunkten angeben, was praktisch einem Unentschieden gleichkommt.

Die Streitgespräche der Stellvertreter haben in der Geschichte der US-Fernsehduelle in der Regel wenig Auswirkung auf die Wahl des Präsidenten gehabt. Sie dienen vor allem der Mobilisierung der jeweiligen Parteibasis. Und diese wurden sowohl von Ryan als auch von Biden während der 90-minütigen Debatte in Danville im Bundesstaat Kentucky reichlich bedient. Ryan dürfte es durch einen fehlerfreien Auftritt geschafft haben, den leichten Schwung zu erhalten, den Romneys Wahlkampf durch den Sieg im ersten TV-Duell mit Obama erhalten hat. Doch auch Biden, der deutlich aggressiver auftrat als Obama vor einer Woche, blieb fehlerfrei.

Obama war zu kraftlos

Obama hatte die erste Fernsehauseinandersetzung gegen Romney klar verloren. Er wirkte bemerkenswert lustlos und erklärte zuletzt, er sei offenbar zu höflich gewesen. Umfragen hatten nach der Debatte einen leichten Vorsprung für Romney ergeben. Allerdings lag Obama in den wahlentscheidenden Swing States weiter vor seinem Herausforderer, wenn auch mit gesunkenen Werten.

Anders Joe Biden am Donnerstagabend in Kentucky. Der 69 Jahre alte Demokrat legte sich vehement ins Zeug. Attacken Ryans, die Obama-Regierung habe die US-Öffentlichkeit nach dem gewaltsamen Tod von vier amerikanischen Diplomaten vor einem Monat im libyschen Bengasi getäuscht, konterte Biden, der für seine klare Sprache bekannt ist, mit dem ungewöhnlich deutlichen Satz: "Kein einziges Wort, das Sie sagen, ist wahr. Was für ein Haufen Unsinn." Im Streit um das iranische Atomprogramm rief Biden zur Umsicht auf. Noch habe die Regierung in Teheran keine Atombombe.

Ryan dagegen sprach sich für einen deutlich schärferen Ton in der US-Außenpolitik aus. Es könne nicht hingenommen werden, dass die Vereinigten Staaten ihre Außenpolitik in die Uno auslagerten, wo etwa der russische Präsident Wladimir Putin ein Vetorecht in der Frage besitze, wie etwa mit dem syrischen Machthaber Baschar al-Assad umzugehen. Die Außenpolitik nahm zwar einen breiten Teil der Debatte ein, sie gilt aber als nicht wahlentscheidend in den USA. Zumal beide Kontrahenten in entscheidenden Punkten wie zum Beispiel dem Ende des Kampfeinsatzes in Afghanistan wenig Unterschiede erkennen ließen.

Streit um Steuerpläne

In der Innenpolitik prallten dagegen die Gegensätze voll aufeinander. Biden nannte die Steuerpläne von Romney und Ryan mittelstandsfeindlich. Dagegen blieb der 42 Jahre alte Ryan, der bislang Kongressabgeordneter in Washington ist, sehr gelassen und erklärte mit demonstrativ ruhigem Ton: "Wir wollen die Wirtschaft ankurbeln und Jobs schaffen." Daraufhin warf ihm der erstaunlichen faktensichere Biden vor, nicht in der Lage zu sein, Details zu nennen. Der Vizepräsident sagte: "Hören Sie doch mit dem Gerede darüber auf, wie sehr sie sich um das amerikanische Volk sorgen. Zeigen Sie mir ihre Pläne."

Biden vergass - im Gegensatz zu Obama in der vergangenen Woche - auch nicht, das vor wenigen Wochen veröffentlichte Video zu erwähnen, in dem Romney fast die Hälfte der amerikanischen Wählerinnen und Wähler verunglimpft und ihnen die Fähigkeit abspricht, ihr Leben ohne Staatshilfe zu meistern. Der Konter Ryans an die Adresse Bidens, der ebenfalls gerne die falschen Worte zur falschen Zeit wählt, nahm allerdings etwas Schärfe aus der Debatte: "Wie der Vizepräsident weiß: Worte kommen manchmal unbedacht aus dem Mund."

Republikaner wie Demokraten zeigten sich in den ersten Minuten nach der Debatte gewiss, dass ihr jeweiliger Bewerber den besseren Auftritt in Kentucky hatte. Stephanie Cutter, die zu Obamas Top-Wahlkämpferinnen gehört, sprach von einem "entscheidenden Sieg". Das Fernsehpublikum habe den Unterschied sehen können zwischen "einem Mann, der sein ganzes Leben lang für den Mittelstand gekämpft hat, und einem jemandem, der das Wort Mittelstand gerade erst vor vier Wochen gelernt hat."

Reince Priebus, als Vorsitzender des Nationalen Republikanischen Komitees eine Art Parteichef der Konservativen, sagte dagegen, Biden habe weder in Substanz noch in Stil die Debatte gewonnen. Das sei Ryan gelungen. Priebus drängte es auch zu erklären, dass Biden seinen Kontrahenten während der Debatte exakt 82 Mal unterbrochen habe.

Die Debatte um die Debatte der Stellvertreter dürfte sich schon bald wieder legen. Denn am kommenden Dienstag treffen Obama und Romney erneut aufeinander.