W as hat Sie am OECD-Bericht besonders beeindruckt?

CLAUDIA SCHMIED: Die geringe Bildungsmobilität. Wenn 66 Prozent der jungen Leute, deren Eltern einen Universitätsabschluss haben, die Matura schaffen, aber nur 14 Prozent der Schüler mit Eltern mit Pflichtschulabschluss, dann haben wir eine unglaubliche soziale Ungerechtigkeit im Bildungssystem. Es kann doch niemand erklären, dass die Begabungen, Talente und Neigungen so mit dem Ausbildungsstand der Eltern korrelieren.

Das lesen Sie als Unterstützung für Ihre Politik?

SCHMIED: Das ist ein Auftrag an die Politik. Mich freut, dass das eine Wirtschaftsorganisation wie die OECD sagt, die vor einigen Jahrzehnten das Bildungsthema nicht einmal gestreift hat. Wir müssen erkennen, dass das nicht nur unser soziales Gewissen berühren sollte, sondern auch unsere ökonomische Vernunft. Wir können auf das Potenzial der Menschen nicht verzichten, wenn wir in der Top-Liga bleiben wollen.

Hannes Androsch hat die Idee einer Bildungsvolksbefragung parallel zum Bundesheer ins Spiel gebracht.

SCHMIED: Das kann ich mir in dieser Verquickung nicht vorstellen.

Wegen der Verquickung oder überhaupt nicht?

SCHMIED: Ich möchte das Bildungsthema in den Wahlkampf einbringen.

Ihren Widerstand gegen Gabi Burgstallers Studiengebühren-Modell verstehe ich nicht. Warum findet es eine sozialdemokratische Partei richtig, dass gut und schlecht Verdienende gemeinsam die teure Elitenausbildung finanzieren?

SCHMIED: Wir haben in Österreich ein progressives Steuersystem, wo diejenigen, die mehr verdienen, auch entsprechend zum öffentlichen System beitragen. Daher halte ich nichts von zusätzlichen Akademikersteuern. Das Bildungsthema ist für die Sozialdemokratie stark wertemäßig besetzt. Der freie Hochschulzugang ist in diesem Kanon ein hoher Wert, über den es eine Diskussion am Parteitag geben soll. Ich lehne nicht das Burgstaller-Modell ab, sondern kann mir nicht vorstellen, dass mehr Geld für Universitäten übrig bleibt, wenn man gleichzeitig mit den Studiengebühren das Stipendiensystem ausweitet.

Aber Studiengebühren regeln den Zugang etwas. Nur 50 Prozent der Studenten machen einen Abschluss.

SCHMIED: Das wäre eine Anreicherung der Debatte, aber dann muss man sie auch so führen: Einführung der Studiengebühren als Regulierungsinstrument und um die Ernsthaftigkeit des Studierens zu fördern.

Der Wahlkampf ist eröffnet. Sind Sie gewappnet?

SCHMIED: Ich bin im sechsten Jahr Ministerin und habe einiges erlebt. Immer dann, wenn ich einzelnen Kreisen zu nahe komme, werden Gerüchte gestreut.

Welche Gerüchte?

SCHMIED: Rücktrittsgerüchte. Das kommt in einem Zwei-Jahres-Rhythmus. Man kann damit rechnen, dass es jetzt wieder ein bissl tiefer kommt. Das gefällt mir nicht. Ich halte es für schlechten Stil, für eine Unkultur, aber es ist leider Teil der Politik.

Wie wappnen Sie sich dagegen?

SCHMIED: Es gilt zum einen, so etwas wie eine Teflonschicht zu entwickeln und trotzdem sensibel zu bleiben, wahrnehmungsfähig. Ich möchte mir weder physisch noch psychisch einen Panzer zulegen. Wenn mich wer fragt, sage ich: Auftritt als Rücktritt.

Das Gutachten über die Kommunalkredit, in deren Vorstand Sie saßen, hängt noch wie ein Damoklesschwert über Ihnen.

SCHMIED: Das gehört natürlich auch zum Angriffsrepertoire. Warten wir das Verfahren ab. Ich war bis Jänner 2007 in der Kommunalkredit. Sie war eine der besten Banken des Landes, hat mit höchster Wertschätzung der Aufsichtsräte, Eigentümer und Kunden gearbeitet.

Und die Spekulationsgeschäfte?

SCHMIED: Das waren alles erstklassige Papiere.

Muss ein Kreditinstitut, das Gemeinden finanzieren soll, überhaupt solche Geschäfte machen?

SCHMIED: Das war eine geschäftspolitische Entscheidung, die vor meiner Zeit getroffen wurde. Die Geschäfte, die abgeschlossen wurden, waren gängige erstklassig geratete Bankprodukte.

Eine in Funk und Fernsehen gerne gestellte Frage: Treten Sie zurück, sollte es eine Anklage geben?

SCHMIED: Die wird es nicht geben.

Eine in Funk und Fernsehen gern gegebene Antwort.

SCHMIED: Die Frage stellt sich einfach nicht.