"Aus heutiger Sicht" für die Beibehaltung der Wehrpflicht hat sich Gerhart Holzinger, Präsident des Verfassungsgerichtshofes (VfGH), am Sonntag in der ersten ORF-"Pressestunde" nach der Sommerpause ausgesprochen. Zudem fordert er eine Demokratiereform mit verstärktem Persönlichkeitswahlrecht und einem Mehr an direkter Demokratie. Der Streit im U-Ausschuss sei beizulegen.

"Aus heutiger Sicht bin ich für die Wehrpflicht", hielt Holzinger fest. "Es gibt aber auch gute Argumente, die für ein Berufsheer sprechen", räumte er ein. Aus demokratie- und gesellschaftspolitischen Überlegungen halte er es aber trotz der Frustrationen, die auch er selbst beim Heer erlebt hat, für gut, wenn junge Männer einige Zeit eine Leistung für den Staat erbringen. Wie auch immer die Volksbefragung, deren Durchführung er trotz der "kuriosen Entstehungsgeschichte" gut findet, ausgeht, "man muss es so machen, dass es Hand und Fuß hat".

Die Neutralität sei aus verfassungsrechtlicher Sicht von der Heeresform unabhängig, auch bei einer Verpflichtung zum Sozialdienst glaubt er nicht an verfassungsrechtliche Probleme. Es sei aber Aufgabe der Politik, das zu regeln. Als Vorbild für die Organisation des Heeres nannte Holzinger die Schweiz. Sie habe die "zweckmäßigste Form" gefunden, die Wehrpflicht in einem neutralen Staat zu organisieren.

Über die jüngsten Entwicklungen im parlamentarischen Korruptions-Untersuchungsausschuss - seit über einer Woche herrscht Stillstand, der Ausschuss steht auf der Kippe - zeigte sich Holzinger "sehr, sehr enttäuscht". Er forderte, dass die Arbeit fortgesetzt und abgeschlossen werde, denn der Ausschuss habe "im Sinne eines Reinigungsprozesses" viel geleistet und in der Bevölkerung eine Erwartungshaltung geweckt. "Wenn das jetzt so endet, dass das abgedreht wird", so der Präsident, wäre die Frustration bei den Menschen umso größer.