ÖBB-Vorstandschef Christian Kern hält die nun von ÖVP-Obmann Michael Spindelegger aufgebrochene Debatte für "hochgradig unfair" für die Bahn-Mitarbeiter und die Kunden der Bahn. Kern wehrt sich im Gespräch mit der APA entschieden dagegen, dass die ÖBB schlecht gemacht werde. Die ÖBB seien auf einem sehr erfolgreichen Gesundungskurs: "Wir werden ein Jahr früher als angekündigt, nämlich heuer, schwarze Zahlen schreiben." Es sei daher nicht seriös, die ÖBB nun als "wirtschaftlichen Desasterfall" darzustellen.

"Mehr Bahnfahrer denn je"

Die ÖBB hätten vom Eigentümer, dem Bund, einen Sanierungsauftrag bekommen, und die Fortschritte seien auch der österreichischen Bundesregierung bekannt. Er halte die Debatte, dass die ÖBB ein Sanierungsfall seien, daher für "umso unseriöser". Kern sieht die ÖBB bei ihrer wirtschaftlichen Gesundung jedenfalls auf gutem Weg: "Wir haben mehr Bahnfahrer denn je, zufriedenere Kunden denn je, wir sind bei der Pünktlichkeit die Nummer 1 in der EU und haben die Mitarbeiterproduktivität um 20 Prozent gesteigert". Gemessen am Streckennetz hätten die ÖBB weniger Mitarbeiter pro Streckenkilometer als die Schweizer Bahn SBB.

Die Privatisierungsdebatte sei eine Frage des Eigentümers, wollte Kern auf diesen Aspekt der Diskussion nicht näher eingehen. "Jeder hat gesehen wie die Debatte entstanden ist, da möge sich jeder seinen Reim selber drauf machen". Spindelegger hatte im ORF-Sommergespräch mit den Parteichefs gemeint, sein vermutlich künftiger Politkonkurrent Frank Stronach sollte doch die ÖBB übernehmen und sanieren - dieser hatte sich gleich dazu bereiterklärt. Letztlich ortet Kern einen kabarettistischen Aspekt in der nun aufgebrochenen Debatte, denn "die Arbeitsplätze der von den ÖBB für die Werbung beschäftigten Kabarettisten Ciro De Luca und Christoph Fälbl wackeln".

Bures ortet "Verkaufsdebatte ohne Substanz"

Auch Infrastrukturministerin Doris Bures (S) hält nichts von einer Privatisierung der ÖBB: "Die Österreichischen Bundesbahnen stehen nicht zum Verkauf", teilte sie am Freitag in einer Aussendung mit. Sie lehne "Verkaufsdebatten ohne Substanz" ab, die nur die 40.000 Bahnbeschäftigten verunsichern würden. Das Unternehmen sei "von höchster Bedeutung für den österreichischen Wirtschaftsstandort". Weltweit sei die öffentliche Hand für die funktionierende Infrastruktur verantwortlich. In Großbritannien habe die Privatisierung "in einem wirtschaftlichen Desaster geendet, den britischen Steuerzahlern Milliarden gekostet und die Mobilität der Menschen eingeschränkt".

Auch seien die ÖBB "nach strengen Eigentümervorgaben auf einem guten Kurs - nicht nur was die Qualität des Angebots, sondern auch was den wirtschaftlichen Erfolg betrifft". Die ÖBB seien "Europameister bei der Beförderung von Gütern auf der Schiene" und "am besten Weg, die pünktlichste und sauberste Bahn in Europa zu werden und bereits heuer schwarze Zahlen zu schreiben", so Bures. Auch weist Bures Aussagen über Milliardensubventionen zurück. Heuer sollen nach ihrer Berechnung "auf Beschluss der Bundesregierung" rund 1,5 Mrd. Euro in Modernisierung, Erhaltung und Ausbau der Infrastruktur fließen, dazu kämen rund 660 Millionen Euro für Leistungen der Bahn, die der Bund im Nah-, Regional- und Güterverkehr bestellt.

Auch die Arbeiterkammer (AK) ist gegen die Privatisierung der Bahn und verweist auf eine vor kurzem veröffentlichte Sora-Umfrage, wonach rund 80 Prozent der Befragten sagten, es sei "wichtig" oder "sehr wichtig", dass Busse und Bahnen im Eigentum des Staates bleiben. Haushalte in städtischen Gebieten mit ausgebauten öffentlichem Verkehr würden zudem deutlich weniger für ihren Transport ausgeben als im ländlichen Raum, wo man auf das Auto angewiesen ist. "Wir brauchen mehr nicht weniger öffentlichen Verkehr", argumentiert die Leiterin der AK-Verkehrsabteilung Sylvia Leodolter. Das sei auch wichtig für den Klimaschutz.