Selbst wenn es eine parteiinterne Intrige jener Wirtschaftsbündler war, die ihren Job oder Einfluss durch eine Regierungsumbildung bedroht fühlten, daher den Spieß umdrehten und streuten, Michael Spindelegger müsse als Parteichef selbst Platz machen: Die Kuh ist aus dem Stall. Die in der ÖVP traditionelle oder, wie Kritiker sagen, von ihrem "Todestrieb" motivierte Obmanndiskussion läuft. Ein Beweis gefällig? Am Freitag gab es erste öffentliche Solidaritätsadressen für den angeschlagenen Niederösterreicher (51), etwa von Johann Hable von der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst.

Parteichef auf Abruf?

Ist es für Spindelegger wirklich schon so eng? Der Politologe Fritz Plasser meint, der ÖVP-Chef schaue wie ein Parteichef auf Abruf aus. Er schätzt die Wahrscheinlichkeit, dass Spindelegger bei den nächsten Wahlen noch Parteichef ist, nur noch auf 50 Prozent. Genauso sieht dies Meinungsforscher Peter Hajek. Erstaunlicherweise schätzt auch der Politikwissenschaftler Anton Pelinka Spindeleggers Verbleib exakt gleich ein. Allerdings mit dem Zusatz: "Er müsste zu 95 Prozent fest im Sattel sitzen", wenn die ÖVP intern loyal und rational funktionierte. Denn für einen Obmannwechsel - nur noch ein rundes Jahr vor der Nationalratswahl - sei es "jetzt schon zu spät".

Zwei Jahre vor Wahlen wäre aus Pelinkas Sicht Finanzministerin Maria Fekter als ÖVP-Chefin recht passabel. Sie zeige Ecken und Kanten. Ihr kompromissloses Nein zu neuen Steuern oder ihre vorgetragene Sparwut entsprechen am ehesten "der ÖVP-Kernidentität", sagt auch Plasser. Das sieht auch Meinungsforscherin Sophie Karmasin ähnlich. Sie weist jedoch auch darauf hin, dass Fekter "Verrücktheiten" oder emotionale Formulierungen zuzutrauen sind, die ÖVP-Wähler kopfscheu machen könnten.

Ein logischer Nachfolger Spindeleggers oder "großer Zampano" sei weit und breit nicht sichtbar. Der wie Fekter als möglicher ÖVP-Obmann gehandelte Oberösterreicher und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner dränge sich auch nicht wirklich auf. Er hat laut Hajek ein "klares Profil", sei verlässlich, zuweilen sogar innovativ und handschlagsfähig. Doch "das registrieren Wähler nicht", hält Karmasin dem dagegen, die Mitterlehner wie Spindelegger "weit weniger prägnant" als Fekter einschätzt.

Die Zeit drängt

Eigentlich müsste "der wirklich starke Mann in der ÖVP, Niederösterreichs Erwin Pröll, die Partei übernehmen", sagt Hajek. Doch der denke nicht dran. Hajek, Karmasin, Pelinka und Plasser raten Spindelegger in auffälligem Gleichklang, besser heute als morgen personelle und inhaltliche Akzente zu setzen. Nur so könne er sich retten. "Das traut er sich aber nicht", zweifelt Pelinka.