Nach dem Wahlrechts-Urteil des deutschen Verfassungsgerichts zeichnen sich schwierige Verhandlungen der Parteien unter verschärftem Zeitdruck ab. Die Union will noch in der zweiten August-Hälfte mit SPD und Grünen über eine Neufassung des Wahlrechts beraten, wie Unionsfraktionsvize Günter Krings in einem Interview mit der Zeitung "Die Welt" vom Donnerstag ankündigte.

Krings strebt einen Konsensentwurf bis Ende des Jahres an. Damit wäre gewährleistet, dass die Bundestagswahl 2013 "rechtlich auf sicheren Füßen steht", sagte er der "Welt". Er deutete an, dass nun an einem Verfahren gearbeitet werde, das auf einen Ausgleich der Überhangmandate hinauslaufe.

Dem Urteil des Verfassungsgerichts vom Mittwoch zufolge verstößt das von Schwarz-Gelb durchgesetzte Wahlrecht von 2011 gegen die Chancengleichheit der Parteien. Die Richter forderten insbesondere, die Zahl der Überhangmandate auf "etwa 15" zu begrenzen. Diese Mandate entstehen, wenn eine Partei in einem Bundesland mehr Direktmandate erringt als es ihrem Anteil an den Zweitstimmen entspricht.

SPD und Grüne streben eine Novelle an, die über die Vorgabe aus Karlsruhe hinausgeht. Es sei "am besten, wenn Überhangmandate gar nicht anfallen", erklärte Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck. Ziel müsse es sein, Überhangmandate komplett zu verrechnen oder auszugleichen. Der SPD-Wahlrechtsexperte Dieter Wiefelspütz sagte: "Überhangmandate dürfen nicht wahlentscheidende Bedeutung haben." Ein oder zwei Überhangmandate halte er für verkraftbar, nicht aber die von Karlsruhe genannte Zahl von 15.

Kritik am Vorgehen der Karlsruher Richter kam aus der Union. Die Richter hätten 2008 das damals geltende Wahlrecht in einem "sehr diffusen Urteil" für ungültig erklärt und damit jener Neuregelung den Weg bereitet, die sich nun ebenfalls als verfassungswidrig erwiesen habe, sagte Krings im Rundfunksender WDR 5. Das Gericht habe 2008 keine klaren Vorgaben gemacht. In seinem Urteil vom Mittwoch habe es strengere Maßstäbe an das Wahlrecht formuliert als damals.