Die US-Regierung hat den Abschuss eines türkischen Kampfjets durch syrische Streitkräfte "auf das Schärfste" verurteilt. Es handle sich um einen schamlosen und inakzeptablen Akt, betonte Außenministerin Hillary Clinton in einer am Sonntag veröffentlichten schriftlichen Mitteilung. "Wir werden mit der Türkei und anderen Partnern zusammenarbeiten, um das Assad-Regime zur Rechenschaft zu ziehen."

Der Mitteilung zufolge hatte Clinton bereits am Samstag mit ihrem türkischen Amtskollegen Ahmet Davutoglu telefoniert und die "ernste Besorgnis" der USA über den Vorfall zum Ausdruck gebracht. Er spiegle erneut "die kaltschnäuzige Missachtung internationaler Normen, menschlichen Lebens und von Frieden und Sicherheit" durch die syrischen Führungsstellen wider, hieß es in der Erklärung weiter.

Clinton bekräftigte zugleich die Unterstützung der USA für die türkische Regierung und die Solidarität mit dem türkischen Volk. "Wir werden weiterhin in engem Kontakt mit türkischen Vertretern bleiben, während diese den Vorfall untersuchen und über die türkische Antwort entscheiden, unter anderem im Sicherheitsrat", erklärte die Ministerin. "Wir werden unsere enge Zusammenarbeit mit der Türkei als Teil unserer weitergefassten Bemühungen fortsetzen, einen demokratischen Übergang in Syrien zu fördern."

Clinton sprach von einer "dringenden Arbeit". Die USA würden sich mit dem UNO-Sicherheitsrat, der NATO, der EU und dem internationalen Syrien-Sonderbeauftragten Kofi Annan über die nächsten Schritte kurzschließen.

Türkei beruft Nato-Krisensitzung ein

Der Abschuss eines türkischen Militärflugzeuges durch Syrien hat das seit Monaten angespannte Verhältnis zwischen beiden Ländern weiter belastet. Der Zwischenfall zieht immer weitere Kreise und beschäftigt am Dienstag auch den NATO-Rat. Der Nordatlantikrat werde am Dienstag in Brüssel auf Grundlage von Artikel 4 des NATO-Vertrags über den Fall beraten, sagte eine Sprecherin des Bündnisses am Sonntag. Die türkische Regierung geht nach ersten Untersuchungen zu dem Vorfall vom Freitag vom Abschuss des Flugzeugs in internationalem Luftraum aus.

Das Gremium der Botschafter aller 28 NATO-Staaten tritt zusammen, nachdem Ankara unter Berufung auf Artikel 4 des NATO-Vertrages eine Sitzung über den Zwischenfall beantragt hat. Dies teilte NATO-Sprecherin Oana Lungescu am Sonntag in Brüssel mit. Artikel 4 des NATO-Vertrages sieht vor, dass die Verbündeten beraten, wenn einer von ihnen der Auffassung ist, dass seine territoriale Integrität, politische Unabhängigkeit oder Sicherheit bedroht ist. Lungescu sagte, die Türkei werde im Kreis der NATO-Mitglieder über die Lage berichten.

Internationaler Luftraum

Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu erklärte am Sonntag, der Armeejet sei in internationalem Luftraum rund 13 Seemeilen vor Syriens Küste abgeschossen worden. Zuvor hatte die türkische Regierung nicht ausgeschlossen, dass der Jet vor dem Abschuss am Freitag möglicherweise versehentlich den syrischen Luftraum verletzte. Niemand könne es sich erlauben, die militärischen Kapazitäten der Türkei herauszufordern, warnte er im Fernsehsender TRT. Der unbewaffnete Jet sei auf einer Übungsmission unterwegs gewesen.

Davutoglu erklärte zudem, vor dem Abschuss habe es keine Warnung gegeben. Die F-4 "Phantom" habe sich auf einem Ausbildungsflug befunden und keinen Geheimauftrag im Zusammenhang mit den bürgerkriegsähnlichen Unruhen in Syrien gehabt. Die Maschine sei zudem unbewaffnet gewesen. Die Maschine sollte nach diesen Aussagen die Radar- und Verteidigungssysteme der Türkei testen. "Es gab keine Operation gegen Syrien. Das Flugzeug war nicht bewaffnet, versicherte Davutoglu. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan will sich dem Vernehmen nach an diesem Dienstag in einer Ansprache an die Bevölkerung wenden.

Die syrische Flugabwehr hatte die "Phantom" am Freitag abgeschossen. Nach syrischen Armeeangaben war ein "nicht identifiziertes Ziel" ausgemacht worden, das mit hoher Geschwindigkeit und in geringer Höhe in den syrischen Luftraum über dem Mittelmeer eingedrungen war.

Gespanntes Verhältnis

Der Luftzwischenfall am Freitag belastet das ohnehin gereizte Verhältnis zwischen der Türkei und Syrien. Die Regierung in Damaskus wies am Sonntag Medienberichte zurück, man habe sich in Ankara entschuldigt. "Die syrischen Streitkräfte waren über syrischem Gebiet, als sie den Jet abgeschossen haben, versicherte ein Sprecher des Außenministeriums in Damaskus nach Angaben der regierungsnahen Internetseite "Syria Now". "Wir hegen keine feindlichen Absichten gegen die Türkei", fügte der Sprecher demnach hinzu. Vielmehr habe die syrische Luftwaffe die Souveränität des Landes verteidigt. Laut türkischen Angaben befand sich das abgeschossene Kampfflugzeug in internationalem Luftraum.

Unterdessen ist das Wrack des von der syrischen Armee abgeschossenen türkischen Kampfjets laut einem TV-Bericht geortet worden. Es befinde sich in einer Tiefe von rund 1.300 Metern auf dem Meeresboden, berichtete der türkische Fernsehsender CNN-Türk am Sonntag, ohne genauere Angaben zum Fundort zu machen. Das Verteidigungsministerium in Ankara bestätigte den Bericht zunächst nicht. Das Schicksal der beiden türkischen Piloten ist weiter unklar.

Besorgnis

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat sich am Sonntag "tief besorgt" über den Abschuss des türkischen Kampfjets durch die syrische Armee gezeigt. Er sei besorgt über die "möglichen ernsthaften Auswirkungen dieses Vorfalls für die Region", sagte Ban nach Angaben seines Sprechers Martin Nesirky am Samstag in einem Telefonat mit dem türkischen Außenminister Ahmet Davutoglu.

Auch der Iran forderte beide Seiten zu Zurückhaltung auf. Er hoffe, dass eine friedliche Lösung gefunden werde, um die Stabilität in der Region zu gewährleisten, sagte Außenminister Ali Akbar Salehi in einem Telefonat mit seinem türkischen Amtskollegen am Samstagabend. Dies teilte die Regierung in Teheran am Sonntag mit, die als enger verbündeter Syriens gilt. Syrien hatte am Freitag ein Flugzeug der türkischen Luftwaffe abgeschossen. Es soll in syrischen Luftraum eingedrungen sein. Obwohl beide Seiten sich um eine Deeskalation bemühten, schürte der Vorfall dennoch Sorgen vor einer Verschärfung des Konflikts zwischen Regierung und Aufständischen in Syrien.

Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern haben sich verschlechtert, seit das Regime in Damaskus die Oppositionsbewegung gegen Präsident Bashar al-Assad gewaltsam niederschlagen lässt. Mehr als 30.000 Flüchtlinge aus Syrien haben in der Türkei inzwischen Zuflucht gefunden. Syrien wirft dem Nachbarland vor, dass es Waffenlieferungen für die Rebellen passieren lässt. Die Regierung in Ankara bestreitet das.

Darüber hinaus wies die Türkei Ende Mai wie zahlreiche westliche Länder alle syrischen Diplomaten aus. Der Grund war das Massaker in Houla mit mehr als 100 Toten. Daraufhin erklärte Syrien auch türkische Diplomaten zu unerwünschten Personen.