Die Arbeitslosigkeit in Griechenland ist wegen der schweren Wirtschaftskrise auf ein Rekordhoch gestiegen. Die Arbeitslosenquote kletterte im ersten Quartal auf 22,6 Prozent, teilte das Statistikamt am Donnerstag in Athen mit. Es ist der höchste Wert seit Einführung der Statistik 1998. Ende 2011 lag die Quote noch bei 20,7 Prozent, Anfang 2011 bei 15,9 Prozent.

Das griechische Bruttoinlandsproduktion war von Jänner bis März um sieben Prozent im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen. Im Gesamtjahr 2012 dürfte es um 4,7 Prozent schrumpfen, wie die EU-Kommission voraussagt. "Die verfügbaren Einkommen werden durch die steigende Arbeitslosigkeit gedrückt, Lohnsenkungen und Steuererhöhungen lasten ebenfalls auf der Binnennachfrage", so die Brüsseler Behörde.

Banken rechnen Athens Euro-Austritt durch

Sollte Griechenland den Staatsbankrott erklären und zur Drachme zurückkehren, kämen auf die gesamte Eurozone erhebliche Lasten zu. "Der Austritt eines Landes aus der Eurozone würde auch für uns eine Menge Turbulenzen mitbringen", warnte bereits der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble. Aber wie hoch wären die Kosten für Deutschland und die gesamte Eurozone tatsächlich?

Seriös lässt sich die Frage nicht beantworten, weil es kein Drehbuch für Pleite und Euro-Austritt gibt. Allenfalls eine Annäherung an eine Antwort ist möglich. Dazu müssen - wie in einer Analyse der Berenberg Bank - die Verbindlichkeiten des Landes gegenüber dem Ausland unter die Lupe genommen werden.

Dabei ist allerdings Vorsicht geboten: "Wie viel davon letztlich endgültig verloren wäre, ist völlig unklar", warnt Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding vor voreiligen Schlüssen. Die Umrisse des Problems stellen sich wie folgt dar:

  • Aus dem ersten Hilfspaket hat Griechenland von anderen Euro-Ländern 53 Mrd. Euro erhalten.
  • Hinzu kommen 35,4 Mrd. Euro aus dem zweiten Paket.
  • Zudem hat der Euro-Rettungsschirm EFSF 25 Mrd. Euro bereitgestellt, damit das Land seine vom Schuldenschnitt im März angeschlagenen Banken rekapitalisieren kann. Schmieding zufolge ist das Geld aber offenbar noch nicht an die Banken geflossen.
  • Der Analyst geht außerdem davon aus, dass die EZB noch griechische Anleihen im Nominalwert von gut 35 Mrd. Euro in den Büchern hat. Weil die Zentralbank diese vermutlich zu Kursen von rund 0,75 Prozent des Nominalwertes gekauft hat, rechnet Schmieding hier mit einem maximalen nominalen Verlustrisiko von 27 Mrd. Euro. Allerdings hat die EZB auch Gewinne mit Hellas-Anleihen gemacht. Verrechnet man die beiden Posten miteinander, kommt man für die EZB auf ein echtes Verlustrisiko von etwa 20 Mrd. Euro.

Alles zusammen ergibt sich nach der Analyse der Berenberg Bank ein maximales Verlustrisiko der Eurozone gegenüber Griechenland von etwa 135 Mrd. Euro - dieser Betrag müsste also abgeschrieben werden, wenn das Land nach einer Pleite und einem Euro-Austritt keine der Forderungen mehr bedienen würde. Der deutsche Anteil daran betrüge etwa 27 Prozent, also rund 36 Mrd. Euro. Zu ähnlichen Beträgen kommen auch andere Ökonomen von Banken und Wirtschaftsforschungsinstituten. Ein solches Maximalszenario ist allerdings einigermaßen unrealistisch und wäre untypisch für eine Staatspleite, nach der meistens wenigstens ein Teil der Schulden wieder bedient würde.

Hinzu kommt aber ein weiteres Risiko, das sich hinter dem Begriff "Target II-Salden" verbirgt, von dem ebenfalls völlig unklar ist, wie und in welchem Umfang es sich realisieren könnte: Innerhalb des Verrechnungssystems der europäischen Notenbanken für den Zahlungsverkehr zwischen Banken (Target II) hatte die griechische Zentralbank gegenüber dem Eurosystem bis Ende Jänner ein Negativ-Saldo von 107 Mrd. Euro aufgebaut. Schmieding zufolge dürfte es heute bei 120 bis 130 Mrd. Euro liegen. Abgesichert

wird der Negativ-Saldo durch Kreditsicherheiten, die griechische Banken bei der griechischen Notenbank hinterlegt haben. Ob diese nach einem Euro-Austritt ihren Verpflichtungen gegenüber dem Eurosystem weiter nachkommen würde, Sicherheiten abtreten würde und welchen Wert diese Sicherheiten noch hätten, steht dabei in den Sternen. Von möglichen Verlusten, die sich aus Target II ergeben würden, müsste Deutschland über die Bundesbank ebenfalls 27 Prozent tragen. Sch

ließlich müssten in die Gesamtrechnung noch Forderungen europäischer Bürger und Unternehmen gegenüber griechischen Banken einfließen. Ende 2011 betrugen die Auslandsschulden griechischer Unternehmen etwa 100 Mrd. Euro, davon 91 Milliarden Bankschulden und neun Milliarden anderer Unternehmen.

Fazit: Weil nicht klar ist, welche Risiken eintreten würden, lassen sich die Kosten eines Staatsbankrotts und Euro-Austritts vorher nicht beziffern. Sicher ist aber: Es würde teuer werden.