Seit über einem Jahr liefern sich Regierungstruppen und bewaffnete Oppositionelle in Syrien blutige Kämpfe. Tausende Menschen sind bei den Auseinandersetzungen ums Leben gekommen, darunter viele Zivilisten. Die Lage verschlechtere sich immer weiter, sagte Hicham Hassan, Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) in Genf, am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur.

Wie bewertet das IKRK den Konflikt in Syrien? Ist es bereits ein Bürgerkrieg?

Hassan: "Seit April und bis jetzt bezeichnen wir es als 'nicht-internationalen bewaffneten Konflikt in mehreren Gebieten'. Aber wir sprechen immer noch nicht über einen landesweiten Konflikt. Das hängt von der Intensität der Kämpfe und der Organisation der Oppositionellen ab. Für die Bewertung müssen wir uns fragen, ob die bewaffneten Gruppen als eine zusammenhängende Gruppe im ganzen Land unter einer Führung operieren. Das ist nicht der Fall, nur in ganz wenigen Gebieten ist es so."

Warum bezeichnen Sie es nicht als Bürgerkrieg?

Hassan: "Rechtlich lautet der Begriff weltweiten Abmachungen zufolge 'nicht-internationaler bewaffneter Konflikt' im Gegensatz zum internationalen bewaffneten Konflikt. 'Bürgerkrieg' ist eher ein journalistischer Begriff. Beide Bezeichnungen können benutzt werden, um dasselbe zu beschreiben. Aber wenn der Konflikt das ganze Land betrifft, ist es eine ganz andere Sache."

Befürchtet das IKRK, dass sich der Konflikt auf das ganze Land ausweiten wird?

Hassan: "Darüber können wir nicht spekulieren. Wir können sagen, dass die Situation in mehreren Teilen des Landes gleichzeitig schlechter wird. Wir wissen, dass die Konsequenz dieser Situation im humanitären Bereich zu spüren sein wird, und wir alleine werden nicht in der Lage sein, die humanitären Bedürfnisse zu befriedigen."

Wie können Zivilisten in so einem Konflikt geschützt werden?

Hassan: "Jede Seite muss zu jeder Zeit zwischen Zivilisten und Kämpfenden unterscheiden und nur Kämpfende und militärische Ziele angreifen. Rücksichtslose Attacken, die Zivilisten und militärische Ziele gleichzeitig treffen, sind verboten. Mit großer Sorgfalt muss immer darauf geachtet werden, die Zivilbevölkerung zu schonen. Wenn in dicht besiedelten Gebieten gekämpft wird, müssen die Waffen sorgfältig ausgesucht werden, um so weit wie möglich Zivilisten und zivile Infrastruktur zu verschonen."