Wie Todesschwadronen steigen tätowierte Jugendliche mit Sturmgewehren von den Bergen hinab in die Dörfer, brechen in Häuser ein, schlitzen Frauen und Kindern die Kehlen auf oder zerstückeln sie. Nach dem Morden schleppen sie die Leichen manchmal mit sich fort, um die Spuren ihrer Gräueltaten zu verdecken. Solche und ähnliche Berichte von Zeugen und Oppositionellen häufen sich in den Protesthochburgen in Nord- und Zentralsyrien. Das Syrische Netzwerk für Menschenrechte macht die gefürchteten "Shabiha"-Milizen, die "Geister"-Schwadronen, als grausamste Bekämpfer des Aufstands für die jüngsten Massaker - wie am Mittwoch in dem Ort Masraat al-Kubeir - verantwortlich.

Erst hätten Panzer die Häuser beschossen, dann seien die Telefonleitungen gekappt worden. Danach seien die Milizionäre in das winzige, von Sunniten bewohnte Dorf eingedrungen, hätten mindestens 78 Zivilisten ermordet und 37 Leichen mitgenommen. Die Sicherheitskräfte hätten die Shabiha-Männer mit Bussen aus den von Alawiten besiedelten Dörfern in der Nähe herangekarrt - das gleiche Muster wie beim Massaker in dem sunnitischen Städtchen Houla vor zwei Wochen und in den Außenbezirken der drittgrößten Stadt Homs. Die staatlichen Behörden dagegen machen islamistische Terrorbanden für die Morde verantwortlich, die aus dem Ausland unterstützt würden.

Assad-Verwandter gründete Miliz

Gegründet wurden die Shabiha von Verwandten des alawitischen Staatschefs Bashar al-Assad in Latakia. Dort widmeten sie sich zunächst dem Schmuggel und der Schutzgeld-Erpressung ehe sie sich zu den gefürchteten Todesschwadronen entwickelten, die für die schlimmsten Gräueltaten verantwortlich gemacht werden. Ihr Aufstieg fällt in die Periode nach dem Amtsantritt Assads im Jahr 2000, als er sich verstärkt seinen Verwandten zuwandte, um seine Macht in dem mehrheitlich sunnitischen Land zu festigen. Heute kämpfen im Aufstand Angehörige der sunnitischen Mehrheit gegen die Führungsclique, die sich vor allem aus Alawiten rekrutiert.

Die Bezeichnung Shabiha (auch Shabeeha oder Shabbiha) leitet sich von den schwarzen S-Klasse-Mercedes ab, die den Spitznamen "Shabbah" oder Geister tragen. In solchen Luxuskarossen und bewaffnet mit Gewehren erzwangen sich Cousins von Assad aggressiv freie Fahrt durch den dichten Verkehr. Der Name blieb haften und wurde von Gangstern übernommen, als sie ihre kriminellen Geschäfte ausweiteten. Nach dem Ausbruch des Aufstands wandelten sie sich rasch mit staatlicher Hilfe zu regelrechten Milizen. Angeleitet von den Sicherheitskräften oder der regierenden Baath-Partei schlugen sie Demonstrationen in Städten im ganzen Land nieder und erschossen dabei häufig auch Demonstranten.

Assads Name in Kalaschnikows geritzt

Auf Pro-Regime-Kundgebungen Anfang des Jahres in Damaskus und anderswo trugen sie Banner mit der Aufschrift "Assad, wir sind auf ewig deine Shabiha!" oder "Assad, Dein Name ist in unsere Kalaschnikows geritzt". Zur Verstärkung der Miliz rekrutierten die Sicherheitskräfte gleich zu Beginn des Aufstands Tausende sunnitische Muslime, besonders nach der Generalamnestie, mit der Assad vergangenes Jahr Tausende Gefangene aus den Haftanstalten entließ. Später, als der Konflikt in einen Bürgerkrieg umschlug und die Aufständischen mit Angriffen auf die Regierungstruppen begannen, wurden die Shabiha nach Aussage von Diplomaten und Oppositionellen wieder abhängiger von der Rekrutierung in der alawitischen Gemeinschaft.

Die Massaker und das zunehmende Risiko, von den Aufständischen getötet zu werden, schreckten inzwischen jedoch viele Sunniten ab - obwohl die Shabiha-Milizionäre zu manchen Zeiten bis zu 100 US-Dollar Lohn am Tag erhielten. Die Summe ist ein Vermögen in einem Land, wo die Durchschnittslöhne bei 200 bis 300 Dollar (160 Euro bis 241 Euro) im Monat liegen. Die Rekrutierung von Shabiha-Männern in alawitischen Dörfern nehme zu. "Die Shabiha sind vor allem in gemischten Gegenden zu lokalen Alawiten-Milizen geworden", sagt ein Diplomat. "Ihre Aufgabe ist es, die Zivilbevölkerung zu terrorisieren und ethnische Säuberungen zu betreiben."