Für ein flächenmäßig winziges Land hat der Libanon schon viele Schlagzeilen gemacht. Derzeit ist es um Syriens kleinen Nachbarn einigermaßen ruhig. Doch wegen des eskalierenden Konflikts nebenan könnte sich das bald ändern. "Klein-Syrien" wird die einst unter dem Schutz der französischen Mandatsmacht entstandene Zedern-Republik manchmal genannt - wegen der vielen familiären Beziehungen, wegen der Geschäfte, die man miteinander macht, wegen der eng verbandelten Politik. Der Einfluss des großen Nachbarn ist enorm. Wie die Sorge, dass der blutige Konflikt in der Nachbarschaft demnächst mit zerstörerischer Macht über die Grenze kommt.

Für das multikonfessionelle Fünf-Millionen-Einwohner-Land, das nach eineinhalb Jahrzehnten Bürgerkrieg (1975-90) immer noch zutiefst zerrissen ist, könnte das dramatische Folgen haben. Auch in der internationalen Politik wachsen die Befürchtungen, dass der Libanon erstes Opfer eines "Flächenbrandes" in der Region werden könnte. Bei seinem Besuch in Beirut Ende der Woche warnte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle: "Wir sehen mit großer Sorge, dass die Gewalt aus Syrien in den Libanon exportiert wird."

Ersten 15 Monate friedlich überstanden

Dabei hat der Libanon die ersten 15 Monate seit Beginn der Proteste gegen Syriens Machthaber Bashar al-Assad erstaunlich friedlich überstanden. In den vergangenen Tagen mehrten sich jedoch die Auseinandersetzungen zwischen pro- und anti-syrischen Gruppierungen. Seit Ende Mai kamen mehr als ein Dutzend Menschen ums Leben. Inzwischen hat sich die Lage wieder beruhigt, zunächst jedenfalls. Aber kompliziert ist sie wie eh und je.

Die libanesischen Sunniten stehen mehrheitlich auf der Seite der - großteils sunnitischen - syrischen Opposition. Über die Grenze werden nicht nur Medikamente und Verbandszeug geliefert, sondern auch Waffen. Die schiitische Hisbollah hingegen, die in Beirut in der Regierung sitzt, ist mit dem Assad-Regime verbündet. Damaskus schickt die Waffen, mit denen sie ihre Herrschaft sichert. Syrien ist für die Hisbollah auch die unverzichtbare Brücke in den Iran.

Vorwürfe aus beiden Lagern

Beide Lager werfen sich gegenseitig vor, an einem neuen Libanon-Konflikt zu zündeln. Gar nicht so einfach, in einer solchen Situation mit den richtigen Leuten zusammenzukommen. Westerwelle traf Präsident Michel Sleimane, Premier Najib Mikati, aber auch Leute von der Opposition. Auf die sonst üblichen gemeinsamen Auftritte vor den Kameras wurde jedoch überall verzichtet. Als der deutsche Außenminister im Baabda-Präsidentenpalast allein vor die Presse ging, gab es sogar richtig Ärger. "Nicht einmal Hillary Clinton hat sich das hier erlaubt", wetterte der Chef des libanesischen Protokolls. Von deutscher Seite hieß es nach den vielen Gesprächen, die Sorgen seien "eher gewachsen". Das liege an den Eindrücken, die manche Gesprächspartner vermittelt hätten, wie Außenminister Adnan Mansour, der lange im Iran war.

"Deutschland hat ein massives Interesse daran, dass der Libanon nicht noch tiefer in den Sog der Krise in Syrien gerät", betonte Westerwelle. Dazu passt, dass Berlin den Marineeinsatz der Bundeswehr im Rahmen der UNIFIL ("United Nations Interim Force in Lebanon") um ein weiteres Jahr verlängert hat - trotz Kosten von inzwischen mehr als 300 Millionen Euro. Eine Verkleinerung des Kontingents wäre derzeit das falsche Signal. Laut dem Beschluss der deutschen Regierung sollen weiterhin maximal 300 Soldaten zum Einsatz kommen. Gegenwärtig ist Deutschland mit drei Schiffen und rund 230 Soldaten präsent. Daneben beteiligen sich Brasilien, Indien, die Türkei und Griechenland an der Mission zur Bekämpfung des Waffenschmuggels im Seegebiet vor dem Libanon. Aufgabe der UNIFIL ist die Sicherung der Waffenruhe auf der Basis der Resolution 1701 des UN-Sicherheitsrates, mit der der israelisch-libanesische 34-Tage-Krieg vom Sommer 2006 beendet worden war. Die 1978 nach dem ersten israelischen Libanon-Einmarsch gebildete UN-Stabilisierungstruppe wurde 2006 auf Anordnung des Weltsicherheitsrates erheblich aufgestockt.