Die Redeschlachten sind geschlagen, die Studioscheinwerfer erloschen. Die letzten Stunden bis zur Abstimmung dürfen die Matadore nicht mehr auf die Straße oder auf den Bildschirm. Denn nun hat am Mittwoch und am Donnerstag die ägyptische Bevölkerung das Wort. Zum ersten Mal seit Beginn des Arabischen Frühlings bestimmt ein Volk in freier Wahl seinen neuen Präsidenten, den Nachfolger von Hosni Mubarak, der im Krankenhausarrest auf sein Gerichtsurteil wartet.

Mit dem Votum der gut 50 Millionen Wahlberechtigten wird Ägypten erneut zum Vorreiter bei der demokratischen Entwicklung in der arabischen Welt. Der vierwöchige Wahlkampf der 13 Kandidaten setzte in puncto Fairness und Interesse Maßstäbe. Die Bewerber schenkten sich nichts, doch nirgendwo wurden Wahlveranstaltungen mit Schlägertrupps gesprengt, Kandidaten bedroht oder Helfer eingeschüchtert. Stattdessen gab es volle Säle, mit Großplakaten gepflasterte Innenstädte und ein historisches Fernsehduell zwischen den beiden Favoriten um das höchste Staatsamt, Ex-Außenminister Amre Moussa und Ex-Muslimbruder Abdel Abolfotoh.

Innenpolitisch ging es bei den Kampagnen vor allem um soziale Fragen, aber auch um die künftige Rolle der Scharia. Fast die Hälfte aller Ägypter ist arm, Schulen und Hochschulen brauchen dringend bessere Lehrpläne, mehr Personal und mehr Geld. Das Gesundheitssystem fällt auseinander, ebenso wie viele Brücken, Straßen und Schienen. Die Devisenreserven sind nahezu aufgebraucht, der Tourismus stagniert und ausländische Investoren bleiben fern.

Wenig Polizisten

Vertrauen zurückgewinnen, das hatten sich sämtliche Kandidaten groß auf ihre Fahnen geschrieben. Alle wollen die innere Sicherheit im Land wiederherstellen, wo inzwischen Zehntausende eine Schusswaffe besitzen und die Polizei auf den Straßen kaum noch präsent ist. Außenpolitisch beschäftigt die Bevölkerung vor allem das Verhältnis zu Israel.

Amre Moussa und sein säkularer Konkurrent, Ex-General Ahmed Shafik, stellen das Friedensabkommen von Camp David nicht ausdrücklich in Frage, wollen aber ägyptische Truppen künftig auf dem Sinai stationieren. Moussa nennt Israel öffentlich "einen Gegner", sein islamistischer Kontrahent Abulfotoh dagegen sprach von "einen Feind".

Da Ägypten keine große Erfahrung mit Meinungsumfragen hat, sind trotz aller angeblich repräsentativen Erhebungen keine klaren Trends erkennbar. Nur dass einer der 13 Kandidaten bereits in der ersten Runde eine absolute Mehrheit erringen kann, gilt als unwahrscheinlich. Bei der zweiten Runde am 16. und 17. Juni treffen dann möglicherweise ein Bewerber aus dem säkularen Lager, wie Amre Moussa oder Ahmed Shafik, auf einen Gegner aus dem islamistischen Lager, wie Abdel Abolfotoh oder Mohamed Mursi. Oder aber die beiden Islamisten machen am Ende das Rennen doch noch unter sich aus.

Wer letztlich an die Spitze des post-revolutionären Ägyptens rückt, wird zu einem wichtigen Teil von dem Verhalten der Salafisten abhängen, die im Parlament ein Viertel aller Sitze stellen und als einziges größeres politisches Lager keine eigenen Bewerber im Rennen haben.

Am 21. Juni ist es dann soweit. Der Neue zieht in Mubaraks 400-Zimmer-Palast ein.