In Serbien hat Sonntagfrüh die Stichwahl um das Präsidentenamt begonnen. Der Chef der Demokratischen Partei (DS), Boris Tadic, kämpft mit dem Anführer der Serbischen Fortschrittlichen Partei (SNS), Tomislav Nikolic, schon zum dritten Mal um das höchste Staatsamt. Zweimal - in den Jahren 2004 und 2008 - ging Tadic als Sieger aus Stichwahlen hervor.

Bei der ersten Wahlrunde am 6. Mai belief sich der Stimmen-Unterschied zwischen den beiden Kandidaten auf nur rund 10.000 Stimmen (0,26 Prozent) zugunsten von Tadic, weshalb die Resultate der Stichwahl als äußerst ungewiss gelten. Kurz vor dem Wahltag versuchten sowohl Tadic wie auch Nikolic ihre Anhänger zu einer möglichst hohen Beteiligung zu animieren, nachdem diese bei der ersten Wahlrunde mit knapp 60 Prozent eher niedrig lag.

Für Tadic geht es heute um eine Referendumsentscheidung über die Annäherung Serbiens an die EU, die nur er vollbringen kann. Nikolic, dessen Partei grundsätzlich ebenfalls eine proeuropäische Politik verfolgt, betrachtet hingegen seinen Herausforderer als einen "Politiker, welcher der Vergangenheit angehört".

Rund 6,7 Mio. Stimmberechtigte können ihre Stimme bis 20 Uhr in einem der 8.390 Wahllokalen abgeben. In den von Serben bewohnten Gemeinden im Kosovo wurde die Stimmabgabe wie am 6. Mai von der Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) organisiert.

Der Wahlverlauf wird von etwa 1.300 Beobachtern verfolgt. Mit rund 1.000 Wahlbeobachtern ist die nichtstaatliche Belgrader Organisation CESID (Zentrum für Freie Wahlen und Demokratie) engagiert, deren aussagekräftige Hochrechnungen gegen 21.00 Uhr erwartet werden. Die Stimmabgabe verfolgen auch etwa 200 Beobachter der OSZE, des Europarates, des OSZE-Büros für Demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) sowie einiger anderer ausländischer Organisationen.

Die Partei von Nikolic hatte nach der ersten Wahlrunde die Demokraten des "massiven" Wahlbetruges beschuldigt. Bewiesen wurden die Vorwürfe allerdings nicht. Die SNS hat ihre Vertreter in allen Wahllokalen, sie will zudem heute auch die Geschehnisse um die Wahllokale herum beobachten.

Der serbische Präsident hat laut der Verfassung nicht sehr breite Befugnisse. Er vertritt das Land im Ausland, ist oberster Befehlshaber der Streitkräfte, verkündet durch seine Unterschrift die Gesetzte und schlägt dem Parlament den Kandidaten für den Posten des Regierungschefs vor. Gerade diese Befugnis dürfte dazu führen, dass Serbien bei einem Wahlsieg von Nikolic nicht die vor zehn Tagen zwischen der DS und den Sozialisten bereits vereinbarte erneute Regierungskoalition, sondern eine Regierung um die SNS bekommt. Eine Koalition der beiden großen Lager erscheint in Serbien eher unwahrscheinlich.