In Griechenland geht nach der gescheiterten Regierungsbildung die Angst um: Das politische Chaos, die Aussicht auf einen Austritt aus der Euro-Zone und eine drohender Staatsbankrott veranlasste zahlreiche Bürger zur Räumung ihrer Konten. Mindestens bis zum 17. Juni geht das große Zittern weiter, denn erst dann finden Neuwahlen statt, wie am Mittwoch beschlossen wurde. Präsident Karolos Papoulias warnte vor einer Panik. Die europäischen Börsen ließen erneut Federn. Der Geschäftsführer des Internationalen Bankenverbands IIF, Charles Dallara, sagte, ein Abschied Griechenlands vom Euro würde für den Rest Europas einen Schaden in der Dimension "irgendwo zwischen katastrophal und Armageddon" verursachen.

An einem einzigen Tag seien in Griechenland etwa 800 Millionen Euro abgehoben worden, sagte Papoulias unter Berufung auf den Zentralbankchef. Die Bürger hätten "große Angst, die sich zu einer Panik entwickeln könnte", ging aus einem Protokoll eines Treffens des Präsidenten mit mehreren Parteichefs hervor. Im Umfeld der Banken wurde teilweise versucht, solche Sorgen zu dämpfen. Doch auch Dallara sagte, immer mehr Einlagen würden aus Griechenland abgezogen. Die EZB lieh mehreren angeschlagenen griechischen Banken kein Geld mehr. Eine mit den Vorgängen vertraue Person sagte, bei insgesamt vier Instituten sei das Kapital bereits so sehr aufgezehrt, dass sie mit negativem Eigenkapital arbeiten würden.

Dallara sagte, die Lage werde sich vermutlich stabilisieren, wenn eine neue Regierung stehe und sich diese zu einem Verbleib in der Euro-Zone bekenne. Doch zunächst muss Griechenland mit einer Übergangsregierung vorliebnehmen, unter der Leitung des wenig bekannten Vorsitzenden des Obersten Verwaltungsgerichts, Panagiotis Pikrammenos. Politische Entscheidungen wird er keine treffen können. Seine einzige Aufgabe ist es, das Land in einem Monat in die Wahl zu führen.

Umfragen zufolge dürften dann erneut Kritiker des harten Spar- und Reformkurses zulegen, den Griechenland von der EU und dem Internationalen Währungsfonds vorgeschrieben bekommen hat. Bereits am 6. Mai hatten die extremen Parteien am linken wie am rechten Rand gemeinsam nahezu zwei Drittel der Stimmen erhalten. Jetzt kann sich laut dem Institut VPRC die Linksallianz SYRIZA Hoffnungen machen, mit etwa 20 Prozent stärkste Fraktion zu werden. Die Unterstützer des Sparkurses würden dagegen verlieren: Die konservative Neue Demokratie und die sozialistische PASOK kämen zusammen auf nur etwa ein Viertel der Stimmen. Die beiden Parteien hoffen, das Ruder doch noch herumreißen zu können, indem sie die Wahl zum Referendum über den Euro erklären - denn immerhin wollen fast 80 Prozent der Griechen die Gemeinschaftswährung behalten.

Doch viele Wähler glauben offenbar auch den Versprechungen des charismatischen SYRIZA-Chefs Alexis Tsipras. Er sagt, Griechenland könne im Euro bleiben, ohne sich an die Auflagen der internationalen Geber zu halten. Damit dürfte er jedoch auf wenig Gegenliebe stoßen. Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Dienstag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem neuen französischen Präsidenten Francois Hollande gesagt, Griechenland müsse die an das Rettungspaket geknüpften Bedingungen respektieren. Und EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso warnte das griechische Volk, dass es sich bei der Abgabe seiner Stimme im Klaren sein müsse, welche Konsequenzen sich daraus ergäben. "Der ultimative Beschluss zum Verbleib in der Euro-Zone muss von Griechenland selbst kommen."

Weltbank-Chef Robert Zoellick verwies darauf, dass eine Abkehr Griechenlands vom Euro vor allem auch unabsehbare Folgen für die schuldengeplagte Länder Spanien und Italien haben könnte. Ein Zerfall der Euro-Zone "wäre ein traumatisierendes Ereignis sowohl für die USA, als auch für die globale Konjunktur", warnte der US-Notenbanker James Bullard. Zwar fügte er hinzu, dass er nicht davon ausgehe, dass es soweit komme. Doch es war kaum verwunderlich, dass nach Merkel, Hollande und EZB-Chef Mario Draghi sich auch Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy vehement dafür aussprach, Griechenland solle in der Euro-Zone bleiben.

Bankenverbands-Präsident Andreas Schmitz legte dagegen als erster Spitzenvertreter der deutschen Finanzbranche dem Land einen Austritt nahe. "Gut zwei Jahre nach dem ersten Hilfspaket für Griechenland ist es inzwischen schwer vorstellbar, wie das Land aus seiner misslichen Lage herauskommen kann", sagt der Top-Banker der Nachrichtenagentur Reuters. Es sei daher richtig, über Alternativen nachzudenken, allen voran, ob das Land mit einer eigenen Währung die Probleme nicht besser lösen könne.

Noch drastischer wurde Kanadas Finanzminister Jim Flaherty. Die Europäer sollten die Euro-Zone komplett aufgeben, wenn sie nicht willens seien, mehr zur Unterstützung der Mitgliedstaaten zu tun, sagte er wenige Tage vor einem G-8-Gipfel dem Sender CTV. "Sie müssen das Richtige tun und etwas Geld ihrer Steuerzahler in die Hand nehmen, um ein paar der schwächeren Mitglieder der Euro-Zone rauszuschlagen. Oder sie müssen sich von der Euro-Zone abwenden und einfach sagen, das war ein Experiment, das nicht funktioniert hat."