Mit welchen Erwartungen gehen die Parteien in die Neuwahlen?

ANTWORT: Die Führer der Traditionsparteien, der Konservativen und der Sozialisten, hoffen darauf, dass die Wähler im zweiten Durchgang nicht mehr ihrer Wut freien Lauf lassen, sondern dass aus dem Protestvotum gegen den Sparkurs eine Wahl der Vernunft wird - eine Volksabstimmung für Europa, den Euro und den Reformkurs. Alexis Tsipras und sein Bündnis der radikalen Linken (Syriza) erwarten dagegen noch mehr Zulauf. Unbegründet ist diese Hoffnung nicht: Meinungsumfragen sehen Syriza bereits als stärkste Partei. 80 Prozent der Bürger lehnen den Sparkurs ab, fast ebenso viele wollen aber den Euro behalten. Tsipras gaukelt den Griechen vor, man könne beides unter einen Hut bringen. "Für uns gibt es keine Schulden", sagt der Syriza-Politiker Manolis Glezos kürzlich.

Dass Athen trotz Pleite am Euro festhalten könnte, ist unwahrscheinlich. Wenn der Staat keine Euros mehr hat, dürfte er kaum eine andere Wahl haben, als Geld zu drucken. Das geht in Eigenregie nur in eigener Währung - der Drachme.

Kann Griechenland ohne Kredite überleben?

ANTWORT: Nur wenige Wochen. Im diesjährigen Haushalt stehen geplanten Ausgaben von rund 100 Milliarden Euro nur erwartete Einnahmen von 84,7 Milliarden gegenüber. Schon jetzt sitzt der Staat auf unbezahlten Rechnungen von über sechs Milliarden Euro. Überdies bleiben die Steuereinnahmen weit hinter den Erwartungen zurück. Spätestens im Juli sind die Kassen leer, dann kann der Finanzminister keine Gehälter und Renten mehr zahlen. Dann wäre es nur noch ein kleiner Schritt zur Staatspleite.

Mehr als eine Million Griechen sind arbeitslos. Nur jeder Dritte bekommt Arbeitslosengeld (360 Euro). Fast 700.000 Griechen haben kein eigenes Einkommen mehr. Diese Menschen, die ohnehin vor dem Nichts stehen, dürfte eine Staatspleite kaum schrecken.

Blufft die EU vielleicht nur?

ANTWORT: Das ist die 365-Milliarden-Euro-Frage. Auf diese Summe belaufen sich in etwa die griechischen Verbindlichkeiten gegenüber den ausländischen Gläubigern, einschließlich der Europäischen Zentralbank, die den griechischen Banken rund 75 Milliarden Euro geliehen hat. Bei einer Staatspleite müssten die Gläubiger diese Schulden abschreiben. Besonders die Radikallinken spekulieren deshalb darauf, dass die Europäer weiter zahlen. Aber immer mehr Stimmen sagen: Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.

Dass Athen trotz Pleite am Euro festhalten könnte, ist unwahrscheinlich. Wenn der Staat keine Euros mehr hat, dürfte er kaum eine andere Wahl haben, als Geld zu drucken. Das geht in Eigenregie nur in eigener Währung - der Drachme.

Wie geordnet würde eine Rückkehr zur Drachme ablaufen?

ANTWORT: Bekommt die Bevölkerung von der geplanten Umstellung Wind, würden die Menschen wohl ihre Konten auflösen, um rasch noch Euros ins Ausland zu schaffen oder unter der Matratze zu verstecken. Das Bankensystem bräche binnen weniger Tage zusammen. Man müsste die Aktion deshalb quasi über Nacht durchziehen. Bankeinlagen und Kredite würden zwangsweise von Euro auf Drachme umgestellt. Der Kapitalverkehr mit dem Ausland würde für einige Zeit unterbunden, man müsste Grenzen und Flughäfen schließen, um die Kapitalflucht zu unterbinden.

Ex-Premier Kostas Simitis erwartet bei einer Rückkehr zur Drachme "nie da gewesene Armut und Arbeitslosigkeit". Touristen könnten aus Angst vor sozialen Unruhen ausbleiben.

Ginge es den Griechen mit der Drachme nicht besser?

ANTWORT: Zunächst einmal ginge es ihnen sehr viel schlechter. Die Griechen hätten mit der neuen Währung viel weniger Kaufkraft im Portemonnaie. Volkswirte erwarten, dass die neue Drachme gegenüber dem Euro um mindestens 50 Prozent abwerten würde. Die Umstellung wäre also praktisch eine Massenenteignung der Bevölkerung. Die zu erwartende Hyperinflation würde die Kredite enorm verteuern und den Wert der Währung immer weiter aushöhlen. Die Staatsschulden würden mindestens auf das Doppelte der Wirtschaftsleistung ansteigen. Mit Drachmen könnte Griechenland seine Euro-Schulden niemals bedienen oder gar zurückzahlen. Griechenland dürfte auch Schwierigkeiten bekommen, Treibstoffe, Arzneien und selbst Nahrungsmittel zu importieren.