ATHEN. Die Bemühungen um eine Regierungsbildung in Athen sind gescheitert. Nachdem sich in den vergangenen Tagen die Führer der fünf maßgeblichen Parlamentsparteien nicht auf die Bildung einer Koalition einigen konnten, fand sich am Dienstag in zweistündigen Beratungen unter Vorsitz von Staatspräsident Karolos Papoulias auch keine Mehrheit für dessen Vorschlag, eine Regierung aus überparteilichen Technokraten und Experten zu bilden. Damit geht Griechenland Neuwahlen entgegen. Sie könnten am 10. oder 17. Juni stattfinden. Bis dahin wird eine geschäftsführende Regierung unter Vorsitz eines hohen Richters das Krisenland führen.

In eindringlichen Worten hatte Präsident Papoulias in den Krisentreffen der vergangenen Tage die Parteiführer an ihre Verantwortung erinnert. Die Differenzen der Parteien seien "klein und unbedeutend im Vergleich zu dem, was wir dem Land schulden". Er habe sich in Gesprächen mit Ministerpräsident Lucas Papademos, dem Zentralbankchef und dem Finanzminister über die Lage unterrichten lassen, sagte Papoulias und warnte vor einem "Monat der Tragödie", der dem Land drohe, wenn sich die Regierungsbildung weiter verzögere. Immer prekärer wird vor allem die Lage der Banken, weil viele Kunden aus Angst vor einer drohenden Staatspleite und einer Rückkehr zur Drachme ihre Gelder abheben. "Die Gefahr ist real", sagte Papoulias: wenn sich angesichts der politischen Ungewissheit die Kapitalflucht fortsetze, drohe dem Bankensystem der Zusammenbruch, mahnte der Präsident.

Auch in den Staatskassen herrscht Ebbe, weil die Steuereinnahmen bereits in den Wochen vor der Wahl dramatisch eingebrochen sind. Überdies hat die EU angesichts des politischen Vakuums die Überweisung weiterer Raten der bereits zugesagten Hilfskredite vorerst storniert.

Nach inoffiziellen Informationen hat das Finanzministerium inzwischen einen weitgehenden Zahlungsstopp verhängt. Lieferanten werden bis auf Weiteres nicht bezahlt, auch alle Überweisungen an Staatsunternehmen und Behörden wurden eingefroren. Mit dem Ausgabenstopp versucht der Finanzminister sicherzustellen, dass er im Juni wenigstens Gehälter und Renten zahlen kann.