"The Independent" (London):
"Das erste Treffen zwischen Angela Merkel und Francois Hollande in Berlin wird gehandelt als entscheidende Kraftprobe zwischen grundlegend unterschiedlichen Sichtweisen über Sparsamkeit und Wachstum. Die Realität ist jedoch viel nüchterner: Hollande hat eine wortgewaltige Kampagne gegen die Sparsamkeit gestartet, doch seine Differenzen zu Merkel sind mehr eine Frage der Einschätzung. Die deutsche Kanzlerin befürwortet Strukturmaßnahmen wie eine Reform des Arbeitsmarktes als Ausweg aus der Krise, während ihr neu gewählter französischer Gesprächspartner mit EU-weiten 'Projektbonds' Investitionen fördern möchte. Doch Europa braucht beides."

"Süddeutsche Zeitung" (München):
"Wenn heute eher unspezifisch nach Wachstum gerufen wird, dann ist klar, wo wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung am ehesten nottäte - an der südlichen Peripherie. Hollande hat keine geopolitischen und auch sonst keine an Napoleon oder Mitterrand erinnernden Visionen vorgelegt. Die Kräfte in seiner Partei, bei den Neokommunisten und den linksradikalen Splittergruppen, die den Klassenkampf gegen die Reichen ausrufen, haben jenseits der schieren Umverteilung auch kein Zukunftsprojekt für Europa und seine Anrainer. Doch auch die Bundeskanzlerin der schwarz-gelben Koalition hat für Europa noch keine Vision über ihr Krisenmanagement hinaus und jenseits der Budgetdisziplinierung vorgelegt. In der verzweifelten Schlacht um Düsseldorf hat sie eine fadenscheinige Rhetorik gegen jede Schuldenmacherei entwickelt - das ist zu wenig. Merkel hat aber einen richtigen Einwand gegen die Wachstumspolitiker geltend gemacht: Zur Nachhaltigkeit gehört auch, nicht auf Kosten künftiger Generationen zu leben, wie wir Baby-Boomer es über Jahrzehnte hinweg getan haben. Heute wissen wir, dass das Wachstum seit den 70er-Jahren im Wesentlichen auf Pump und auf Kosten der Umwelt möglich waren. Der neoliberale Unsinn hat das nicht korrigiert, eine neue Linksunion würde es ebenso wenig tun."

"La Croix" (Paris):
"Im vereinten Europa ist nichts möglich, wenn Frankreich und Deutschland sich nicht einig sind. Wer könnte behaupten, dass die Bereinigung der Haushalte und Wachstumsinitiativen einander widersprechen? Dass Großprojekte und Strukturmaßnahmen sich gegenseitig ausschließen? Die politische Krise in Griechenland verbietet es, sich in Grundsatzdebatten hineinzusteigern. Mit einer Dosis Realismus, die aus der innenpolitischen Situation beider Länder erwächst, werden sie sich verstehen: Merkel braucht Wachstum, um ihren sozialdemokratischen Gegnern entgegenzutreten, und Hollande muss sich bemühen, seine Wahlversprechen zu erfüllen."

"Frankfurter Rundschau":
"Als wahrscheinlich gilt in Paris, dass Hollande und Merkel übereinkommen werden, dem Fiskalpakt in Form von Zusatzbestimmungen nachzuschieben, was der Franzose im Vertrag selbst verankert sehen wollte: Maßnahmen zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung. Das Ergebnis wäre ein zweites, ergänzendes Abkommen, das sich an Vorschlägen Hollandes ausrichten könnte. (...) Jenseits des sozialistischen Lagers ist der Glaube an eine rundum erfolgreiche Deutschland-Reise Hollandes allerdings geringer. Aber selbst wenn es an diesem Dienstag zum Eklat kommen sollte: Mittelfristig ist Frankreichs Politikern um die französisch-deutschen Beziehungen nicht bange. Hollande gilt als Merkels Freund in spe."