Die griechische Radikale Linke (SYRIZA) macht den Bruch des Sparpakts mit der EU zum Fixpunkt ihrer Sondierungsgespräche für eine neue Regierung. Ihr Chef Alexis Tsipras werde noch am (heutigen) Mittwoch einen Brief an die EU-Kommission und die Europäische Zentralbank (EZB) schreiben, in dem er das Sparprogramm Griechenlands für null und nichtig erklären will, sagte sein enger Mitarbeiter Panagiotis Lafazanis. Europäische Politiker warnten unterdessen vor einem griechischen Nein zur Sparpolitik.

Nach Ansicht des SYRIZA-Chefs Tsipras hat "das griechische Volk" bei den Wahlen vergangenen Sonntag die Annullierung des Sparprogramms beschlossen. Denn es habe "den Parteien, die das Stabilisierungsprogramm unterstützen, nicht die Mehrheit gegeben", sagte Lafazanis am Mittwoch im griechischen Fernsehen. Am Vorabend hatte Tsipras auch die Chefs der Konservativen und Sozialisten aufgefordert, noch vor seinen Sondierungsgesprächen mit ihm Briefe an die EU zu schicken. Sie sollten darin ihre Unterschriften unter den Sparprogrammen zurückziehen.

Der Chef der Konservativen, Antonis Samaras, rief Tsipras auf, "zu sich zu kommen". Er forderte am Mittwoch alle Kräfte der politischen Mitte und des rechten Spektrums auf, eine pro-europäische Front gegen die linke anti-europäische Bewegung zu bilden. "Wir müssen eine Front bilden, die den Verbleib unseres Landes in der Eurozone sichert", sagte Samaras im Fernsehen. Die von den Linksradikalen geforderte einseitige Annullierung des Sparprogramms werde zur Katastrophe führen.

Der Sozialistenführer Evangelos Venizelos mahnte zur Besonnenheit. Am Mittwochabend sollte es zu den entscheidenden Treffen der Chefs der drei stärksten Parteien kommen. Scheitern die Verhandlungen, sind schnelle Neuwahlen unabwendbar.

Eigentlich wären nach einem Scheitern der Gespräche die Sozialisten (PASOK) als drittstärkste Kraft am Zug. Wie die Nachrichtenagentur dpa aus PASOK-Kreisen erfuhr, will Venizelos ein Sondierungsmandat aber gar nicht mehr annehmen, damit keine wertvolle Zeit verloren gehe. Sondierungsgespräche der Konservativen waren bereits am Montag gescheitert.

Bis Mitte Mai muss Griechenland eine handlungsfähige Regierung haben. Sollten alle Gespräche scheitern, muss binnen 30 Tagen neu gewählt werden. Medien spekulieren bereits über das mögliche Wahldatum. Der 10. Juni ist dafür im Gespräch.

Tsipras benehme sich, "als sei er schon Ministerpräsident", hieß es übereinstimmend aus Kreisen der Konservativen und Sozialisten. "Er hat aber lediglich nur 16,78 Prozent und nur ein Sondierungsmandat." SYRIZA, eine antistalinistische Sammlungsbewegung, stellt 52 der 300 Parlamentsabgeordneten. Zusammen mit ihrer Schwesterpartei der Demokratischen Linken hat sie 71 Sitze. Für eine Mehrheit sind 151 Abgeordnete erforderlich.

Während deutsche Regierungspolitiker nun laut über einen Austritt Griechenlands aus der Eurozone nachdenken, hält Romano Prodi diesen für unwahrscheinlich. Dies würde sowohl Griechenland als auch der Europäischen Union schaden, sagte der ehemalige EU-Kommissionspräsident und Premierminister Italiens am Dienstag gegenüber der APA in Wien. "Wenn Griechenland aus der Eurozone aussteigt, ist der gesamte Euro in Gefahr und dann wären alle schlechter dran, auch die Deutschen."

Angesichts der Wirtschaftslage Griechenlands warnte die Hilfsorganisation SOS-Kinderdorf vor einer Massenarbeitslosigkeit und einem Zusammenbruch des Sozialstaats. "Ein totaler Zusammenbruch der griechischen Mittelschicht steht uns bevor", befürchtet George Protopapas, Leiter von SOS-Kinderdorf Griechenland, laut einer Aussendung vom Mittwoch. Hilfsanfragen an SOS-Kinderdorf steigen demnach massiv. "Bis jetzt wurde die Hilfe für verarmte Familien verfünffacht - ein weiterer massiver Ausbau ist geplant."