In Moskau wurde am Dienstag Ex-Präsident Dmitri Medwedew vom Parlament zum neuen Regierungschef gewählt. Der Posten für Medwedew ist Teil eines umstrittenen Ämtertauschs mit Staatschef Wladimir Putin. Beide Politiker hatten im September bekanntgegeben, dass sie ihre Posten tauschen wollen. Putin war damals Regierungschef. Er war am Montag als neuer russischer Präsident vereidigt worden und hatte wie vereinbart Medwedew für das Amt des Regierungschefs nominiert. Russlands liberale Opposition kritisiert die sogenannte "Rochade am Roten Platz" als undemokratisch.

"Abstieg" eher selten

Normalerweise funktioniert es umgekehrt. Gar nicht so wenige Regierungschefs krönen ihre politische Karriere im Präsidentenpalast, egal ob das Amt mit echten oder nur symbolischen Kompetenzen versehen ist. In einigen Ländern gehört es fast zur Tradition, dass sich Präsidenten zunächst als Regierungschefs bewähren. Dass sich aber ein Präsident für den "Abstieg" zum Ministerpräsidenten - wie in Russland Wladimir Putin 2008 und Dmitri Medwedew jetzt - entscheidet, muss schon besondere Gründe haben.

Die "Warmhalteplatte"

Putins Kritiker hatten ihm von Anfang an vorgeworfen, in der Funktion des Regierungschefs nur eine politische "Warmhalteplatte" zu sehen, weil er vor vier Jahren aus verfassungsrechtlichen Zwängen bei der Präsidentenwahl nicht hatte antreten dürfen. Nunmehr überlässt er seinem "Platzhalter" Medwedew den Premier-Posten. Die liberale Opposition kritisiert die "Rochade am Roten Platz" als undemokratisch. Dass der "Abstieg" zum Premier durchaus süß sein kann, zeigte der Werdegang des montenegrinischen Spitzenpolitikers Milo Djukanovic. Er hat wohl am meisten Erfahrung im Changieren zwischen den beiden Spitzenämtern, wechselte er doch gleich zweimal zwischen ihnen hin und her.

Ein außereuropäisches Beispiel für einen Präsidenten, der später Premier wurde, ist in Pakistan Zulfikar Ali Bhutto. Der Politiker wurde 1971 nach dem verlorenen Krieg gegen Indien und der Sezession Ostpakistans (Bangladesch) Präsident. Ein Jahr später gewann Bhuttos Pakistanische Volkspartei (PPP) die Parlamentswahlen. Nach Verabschiedung einer neuen Verfassung, die das Amt des Premierministers nach dem Vorbild des deutschen Kanzlers aufwertete, trat Bhutto 1973 selbst an die Spitze der Regierung und überließ das Präsidentenamt einem Gefolgsmann. Bhutto wurde 1977 von den Militärs gestürzt und später hingerichtet.

Regierungschef zum Aufwärmtraining

Eine Fülle von Beispielen gibt es für den umgekehrten Weg, nämlich jenen vom Regierungschef zum Staatsoberhaupt. In Europa haben derzeit Portugal (Anibal Cavaco Silva) und Tschechien (Vaclav Klaus) frühere Premiers als Präsidenten. Tradition hat der Wechsel in Frankreich, wo drei der bisher sechs Präsidenten der Fünften Republik auf dem Weg in den Elysée-Palast im Hotel Matignon, dem Sitz des Premierministers, Zwischenstation machten: Der Gründer und erste Präsident der Fünften Republik, General Charles de Gaulle, war 1958 der letzte Regierungschef der Vierten Republik. Sein langjähriger Premier (1962-68) Georges Pompidou folgte ihm 1969 in den Elysée-Palast. Jacques Chirac war zweimal Premier (1974-76 und 1986-88), ehe er 1995 Staatspräsident wurde. In der Dritten Republik (1870-1940) war es dagegen vorgekommen, dass Staatspräsidenten (Raymond Poincaré und Gaston Doumergue) nach ihrer siebenjährigen Amtszeit im Élysée in Krisenzeiten an die Regierungsspitze traten.

In Staaten, in denen das Staatsoberhaupt überwiegend repräsentative Aufgaben wahrnimmt, gilt das Präsidentenamt mitunter als "Ausgedinge" für pensionierte Spitzenpolitiker und Ex-Regierungschefs, wie in Italien (Antonio Segni, Giovanni Leone, Francesco Cossiga, Carlo Azeglio Ciampi). In Deutschland verweigerte sich Konrad Adenauer 1959 eben diesem Vorgang.

In Österreich schaffte es erst ein Kanzler zum Bundespräsidenten, nämlich Karl Renner 1945. Zwei Ex-Kanzler (Julius Raab 1963 und Alfons Gorbach 1965) scheiterten bei Präsidentenwahlen. Dafür wurden drei ehemalige Nationalratspräsidenten (Wilhelm Miklas, Karl Renner und Heinz Fischer) und zwei ehemalige Außenminister (Rudolf Kirchschläger und Kurt Waldheim) Staatsoberhaupt