Mit einer relativ hohen Beteiligung hat am Sonntag die entscheidende Runde der französischen Präsidentschaftswahl begonnen. Bis zu Mittag hatten nach Angaben des Innenministeriums 30,66 Prozent der Wahlberechtigten in Frankreich ihre Stimme abgegeben. Als Favorit bei der Stichwahl gilt der Sozialist Francois Hollande. Er liegt seit Monaten in allen Umfragen vor dem konservativen Amtsinhaber Nicolas Sarkozy, der um eine zweite Amtszeit kämpft.

44,5 Millionen Wahlberechtigte waren aufgerufen, sich zwischen Sarkozy und Hollande zu entscheiden. Die erste Runde am 22. April hatte Hollande mit weniger als zwei Prozentpunkten Vorsprung gewonnen. Bei einem Wahlsieg wäre er der erste sozialistische Präsident seit Francois Mitterrand, der von 1981 bis 1995 an der Spitze Frankreichs stand.

Nach inoffiziellen Angaben des belgischen Rundfunks RTBF und der belgischen Zeitung "Le Soir" holte Hollande in Überseegebieten wie den Inseln Guadeloupe oder Martinique bereits die meisten Stimmen. Laut RTBF führt der Sozialist in allen Übersee-Departements außer auf der kleinen Insel Saint-Barthelemy. Was den Rest des amerikanischen Kontinents anlangt, so erfreute sich Hollande demnach auch einer breiten Zustimmung unter den dort ansässigen Auslandsfranzosen: Den Angaben zufolge gewann er die Wahl in den kanadischen Städten Montreal (57,74 Prozent) und Toronto (51 Prozent), wo die Linke noch nie gesiegt hatte. In Peru erhielt der Sozialist 55 Prozent der Stimmen, in Argentinien 51,7 Prozent, in Kolumbien 58,82 Prozent und in Honduras 56 Prozent.

Auch in den Ländern, in denen Hollande unterlag (Mexiko und Brasilien), war sein Ergebnis um vier bis fünf Prozentpunkte höher als jenes der sozialistischen Kandidatin Segolene Royal vor fünf Jahren. In Mexiko erreichte Sarkozy 52,7 Prozent, in Brasilien 53 Prozent. Nur in Venezuela und El Salvador erhielt Hollande mit jeweils 28 Prozent und 30 Prozent weniger Stimmen als Royal 2007.

Vorzeitiger Wahlbeginn

Grund für den vorzeitigen Wahlbeginn in den französischen Überseegebieten ist die große Zeitdifferenz zu Europa. Ohne die vorgezogenen Öffnungszeiten der Wahllokale würde mancherorts noch gewählt, während in Paris schon längst die Ergebnisse vorliegen. Knapp 900.000 der insgesamt 44,5 Millionen stimmberechtigten Franzosen durften deswegen ihre Stimme bereits am Samstag abgeben.

Die ersten offiziellen Hochrechnungen werden für 20.00 Uhr erwartet. Dann schließen die letzten der 65.000 Wahllokale. Bis dahin ist die Veröffentlichung von Prognosen oder Hochrechnungen in Frankreich verboten.

Sarkozy hatte zuletzt seinen Rückstand verringern können. Eine Unbekannte bleiben die Anhänger der Kandidaten, die bei der ersten Wahlrunde am 22. April ausgeschieden sind. Den Wechselwählern kommt eine hohe Bedeutung zu.

Die Wahlbeteiligung lag zu Mittag deutlich über der ersten Runde, als zur gleichen Zeit 28,2 Prozent der Wähler abgestimmt hatten. Damals lag die Wählerbeteiligung am Ende des Wahltages bei knapp 80 Prozent. Bei der Präsidentschaftswahl vor fünf Jahren hatten zur gleichen Zeit zwar 34,11 Prozent abgestimmt. Doch war damals die Wahlbeteiligung mit knapp 84 Prozent extrem hoch.

Beide Kandidaten gaben am Vormittag betont entspannt ihre Stimmen ab. Lächelnd und Hände schüttelnd erschien Hollande mit seiner Lebensgefährtin Valerie Trierweiler in einem öffentlichen Gebäude seines Wahlkreis Tulle. Auch Sarkozy zeigte sich demonstrativ gelassen bei der Stimmabgabe im 16. Pariser Arrondissement. Er erschien in Begleitung seiner Frau Carla Bruni-Sarkozy.

Der konservative Premierminister Francois Fillon geht nach Angaben der Zeitung "Le Figaro" von einem "50:50-Ergebnis" aus. Auch die Sonntagszeitung "Le Journal du Dimanche" erwartet, dass das Ergebnis weniger deutlich ausfallen wird als von allen Umfrageinstituten angekündigt: "Der Ausgang der Wahl könnte unbestimmt sein."

Die Amtszeit Sarkozys endet am 15. Mai um Mitternacht. Hollande hat für den Fall eines Erfolgs eine Amtsübernahme an diesem Tag angekündigt. Dann will der Sozialist auch bekanntgeben, wer neuer Regierungschef wird.