Mit dem großen TV-Duell zwischen Nicolas Sarkozy und François Hollande ist der französische Präsidentschaftswahlkampf in die Zielgerade gegangen. Der amtierende Präsident und sein sozialistischer Herausforderer lieferten sich am Mittwochabend einen knapp dreistündigen verbalen Schlagabtausch. In beiden Lagern wurde die teilweise sehr hitzig geführte Rededebatte als mögliche Vorentscheidung vor der entscheidenden Stichwahl am Sonntag gesehen. In Umfragen lag der Sozialist Hollande bis zuletzt klar vor dem konservativen Amtsinhaber Sarkozy - etliche Wähler gaben aber an, noch unentschlossen zu sein.

Das erbitterte TV-Duell der französischen Präsidentschaftskandidaten Nicolas Sarkozy und Francois Hollande haben insgesamt 17,8 Millionen Franzosen verfolgt. Der unter Berufung auf das Institut Mediametrie vom TV-Nachrichtensender BFM verbreitete Wert liegt unter der Zuschauerzahl der TV-Debatte vor fünf Jahren.

Vier Tage vor der Präsidentenwahl konnte Sarkozy jedoch in dem TV-Duell gegen seinen Herausforderer Hollande keinen K.O.-Schlag versetzten. Viele Beobachter hatten im Vorfeld erklärt, Sarkozy müsse angesichts seines deutlichen Rückstands auf Hollande in dem TV-Duell schon mächtig punkten, um bei der Stichwahl am 6. Mai doch noch wiedergewählt zu werden.

Offensiver Schlagabtausch

Das erste und einzige direkte Duell der Präsidentschaftskandidaten war von Anfang an durch einen offensiven Ton geprägt. Der 57-jährige Sarkozy versuchte mit Angriffen auf das Zahlenwerk im Wahlprogramm seines gleichaltrigen Kontrahenten zu punkten. Hollande dagegen konterte mit Hinweisen auf die Regierungsbilanz des um eine zweite Amtszeit kämpfenden Staatschefs - und die hohen Arbeitslosenzahlen.

Hollande sagte gleich zu Beginn, er wolle ein Präsident sein, der das Land zusammenführe. Sarkozy verwies in seiner Eingangserklärung auf die historische Dimension der Wahl am Sonntag: "Frankreich darf keinen Fehler machen: wir stecken nicht in einer Krise, wir stecken in vielen Krisen". In den folgenden eineinhalb Stunden dominierte das Thema Wirtschaft.

Die Pläne der Wahlkämpfer zum Abbau des französischen Budgetdefizits standen im Zentrum der von Millionen Franzosen verfolgten Debatte. Beide bezogen sich in ihren Reden mehrfach auf Deutschland und dessen wirtschaftliche Bilanz.

Mit Blick auf die Arbeitslosigkeit von rund zehn Prozent in Frankreich zitierte Hollande das Vorbild Deutschland: "Unsere Arbeitslosigkeit ist gestiegen, unsere Wettbewerbsfähigkeit ist gesunken und Deutschland hat es besser gemacht als wir". Sarkozy erinnerte seinen Rivalen daraufhin daran, dass er Maßnahmen nach deutschem Vorbild wie die Schuldenbremse ablehne.

Hollande warf dem Präsidenten vor, bei den Verhandlungen zum Fiskalpakt Deutschland nachgegeben zu haben, "ohne etwas dafür zu bekommen". Sarkozy entgegnete, er habe indirekt beim Dreiertreffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Italiens Ministerpräsident Mario Monti im Herbst die niedrigen Zinssätze der Europäischen Zentralbank durchgesetzt. "Herr Hollande kennt Europa schlecht, er weiß nicht, dass man in Europa nicht von oben entscheiden kann, dass Kompromisse geschlossen werden müssen", kritisierte Sarkozy.

Sarkozy, der erneut Eurobonds ablehnte, plant nach deutschem Vorbild die Verankerung einer Schuldenbremse in der Verfassung. Hollande will unter anderem den Fiskalpakt neu verhandeln und bis Ende 2012 die französischen Truppen aus Afghanistan abziehen. Sarkozy hält beide Vorschläge für unverantwortlich.

Hollande will zudem Spitzenverdiener deutlich höher belasten, projektbezogene Eurobonds einführen und die Rolle der Europäischen Zentralbank (EZB) ausweiten, um das Wachstum anzukurbeln. "Selbst von der deutschen Seite gibt es dazu schon eine neue Geisteshaltung", behauptete er.

Fischen am rechten politischen Rand

In der Innenpolitik hielt der Sozialist an seinem Vorschlag fest, Ausländern das kommunale Wahlrecht zu geben. Dafür sei er sogar zu einem Referendum bereit. Von Muslimen geforderte unterschiedliche Öffnungszeiten in Schwimmbädern für Männer und Frauen solle es aber nicht geben. Auch nach muslimischem Ritus geschlachtetes Fleisch in Schulkantinen lehnte Hollande ab.

Im Bereich der Atompolitik verteidigte der Präsident die 58 Kernreaktoren des Landes mit den Worten: "Die Atomenergie ist ein französischer Trumpf - unsere deutschen Freunde zahlen 35 Prozent mehr für ihren Strom als wir." Deutschland habe im Bereich der erneuerbaren Energie eine knappe Viertel Million Arbeitsplätze, Frankreich 50.000", konterte Hollande, der bei seiner Wahl das AKW Fessenheim an der deutsch-französischen Grenze schließen will. Es ist das älteste des Landes.

Beobachter sprachen von einer angespannten Atmosphäre beim TV-Duell. Der Meinungsforscher Frédéric Dabi vom Ifop-Institut sagte zur Halbzeit, Sarkozy spreche Hollande auf "etwas lehrerhafte Art" die Fähigkeit ab, das Land zu regieren. Die Strategie des Präsidenten, der seinen Herausforderer der "Lüge" bezichtigte, sei riskant.

Die Parteien der beiden Kandidaten sahen jeweils ihren Favoriten im Vorteil. "Der sozialistische Kandidat ist, was die Genauigkeit und Qualität angeht, Nicolas Sarkozy deutlich unterlegen", sagte der Abgeordnete Bernard Debré von der konservativen UMP. Hollandes Sprecherin Najat Vallaud-Belkacem lobte die unbeirrbare Haltung des Sozialisten, der seinem Gegner direkt in die Augen schaue.

Erste Analysen zum möglichen Einfluss des TV-Duells auf die Stimmung im Land wurden für diesen Donnerstag erwartet. Anhänger Sarkozys hofften, dass er mit einer überzeugenden Vorstellung doch noch einen Stimmungsumschwung auslösen könnte. Im Lager des Sozialisten herrschte hingegen Gelassenheit. Es sei unwahrscheinlich, dass Sarkozy infolge des TV-Duells einen Rückstand von rund sieben Prozentpunkten aufzuholen, hieß es. Meinungsforscher hatten Hollande am Mittwoch bei 53,5 bis 54 Prozent gesehen, Sarkozy bei nur 46 bis 46,5 Prozent.

In der zweiten Runde der französischen Präsidentenwahl sind am kommenden Wochenende rund 46 Millionen Franzosen aufgerufen, das Staatsoberhaupt für die kommenden fünf Jahre zu wählen. Sollte Hollande gewinnen, käme 17 Jahre nach dem Ende der Amtszeit von François Mitterrand erstmals wieder ein Sozialist an die Macht.