Drei Wochen nach ihrem Sieg bei der Nachwahl in Burma (Myanmar) hat Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi nicht an der ersten Parlamentssitzung teilgenommen. Wie ein AFP-Reporter berichtete, setzten Suu Kyi und die anderen Abgeordneten ihrer Nationalen Liga für Demokratie (NLD) am Montag ihre Ankündigung in die Tat um, nicht die geforderte Eidesformel mit der Treue zur geltenden Verfassung zu sprechen. Damit gab es erstmals in den vergangenen Monaten einen offenen Streit zwischen Suu Kyi und der Führung des Landes.

"Halten an Prinzipien fest"

Präsident Thein Sein machte deutlich, dass er in dem Streit nicht nachgeben will. Ungeachtet der Proteste von Friedensnobelpreisträgerin Suu Kyi werde der Text der Vereidigung nicht geändert, sagte der Ex-General laut der Nachrichtenagentur Kyodo am Montag bei einem Besuch in Japan. Er sähe sie gerne im Parlament, es sei aber an Suu Kyi zu entscheiden, ob sie dort sitzen wolle oder nicht. Die NLD spielte die Meinungsverschiedenheiten dennoch herunter. Von einem Boykott wollte sie nicht sprechen. "Wir halten lediglich an unseren Prinzipien fest", sagte Parteisprecher Nyan Win.

Die bisher geltende Eidesformel verpflichtet zur "Bewahrung" der Verfassung aus dem Jahr 2008, in der die Vormachtstellung der Armee festgeschrieben wird. Die NLD, zu deren Hauptzielen eine Verfassungsänderung gehört, schlug als Kompromiss vor, das Wort "bewahren" in "respektieren" zu ändern. Eine ähnliche Formulierung hätten die Behörden auch bei der Registrierung der Partei für die Nachwahlen geduldet. Die Liga hatte bei den Nachwahlen zum Parlament am 1. April 43 von 45 Sitzen gewonnen, davon 37 im Unterhaus.

Der Streit kommt für die Regierung zu einem ungünstigen Zeitpunkt. In Luxemburg wollten die EU-Außenminister am Montag die Aussetzung der Wirtschaftssanktionen beschließen. Damit sollen die Reformschritte der einstigen Militärdiktatur belohnt werden. Die EU will die Sanktionen gegen Burma zunächst "auf Probe" für ein Jahr aussetzen. Damit ist es jederzeit möglich, die Maßnahmen rasch wieder in Kraft zu setzen. Vorläufig ausgesetzt werden die EU-Einfuhrverbote für Edelhölzer, Edelsteine und Edelmetalle. Auch Einreiseverbote für 491 Führungspersonen der burmesischen Regierung, die mit einem Einfrieren von Vermögenswerten in der EU einhergehen, werden laut Diplomaten ausgesetzt. Nur ein Exportverbot für Waffen bleibe bestehen. Im Frühherbst will die EU prüfen, ob die Sanktionen weiterhin ausgesetzt bleiben können.

Militärdiktatur ab 1962

Burma wurde seit 1962 von einer Militärdiktatur beherrscht, die sich 2010 einen zivilen Anstrich gab. Die 2008 erlassene Verfassung sichert dem Militär die Vorherrschaft in einem als "disziplinierte Demokratie" definierten Regierungssystem. Bei den manipulierten Wahlen vom November 2010, von denen die NLD ausgeschlossen war, hatte die Junta-Partei "Union für Solidarität und Entwicklung" (USDP) 80 Prozent der Parlamentsmandate bekommen. Ein Viertel der Abgeordnetensitze und mehrere Schlüsselressorts in der Regierung sind laut Verfassung den Streitkräften vorbehalten. Darüber hinaus sitzen über 70 hohe Offiziere, die offiziell aus der Armee ausgeschieden sind, als "Zivilisten" im Parlament, das nur einmal jährlich tagt. Ex-Junta-Premier Thein Sein hatte seinen Generalsrang niedergelegt, um als Spitzenkandidat der USDP, eine Massenorganisation des alten Regimes mit 25 Millionen Zwangsmitgliedern, anzutreten.

1990 gewann die NLD Wahlen zu einer Verfassungsgebenden Nationalversammlung mit Vierfünftelmehrheit, doch durfte das Gremium nie zusammentreten. Danach verbrachte Aung San Suu Kyi, Tochter des ermordeten burmesischen Freiheitshelden General Aung San, die meiste Zeit in Haft oder unter Hausarrest. 1991 durfte sie nicht nach Oslo reisen, um den Friedensnobelpreis entgegenzunehmen. Sie wurde erst im November 2010 freigelassen, eine Woche nach den von der Militärjunta organisierten Wahlen.