Mario Monti lässt sich nicht einladen. Als der italienische Premierminister im November eine Botticelli-Ausstellung in Rom besuchte, bestand er darauf, für sich, seine Frau sowie drei Leibwächter die Eintrittskarten zu bezahlen. Schließlich sei er nicht dienstlich, sondern als "Kunstfreund" gekommen. Und damit basta.

Nördlich des Brenners nimmt man es nicht so genau. Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter ließ sich von Unternehmern zur Jagd einladen, eine Gams hier, ein Auerhahn da. Darf er das? Oder muss er es gar? Platters Bundesparteichef, ÖVP-Obmann Michael Spindelegger sagt: "Der Landeshauptmann von Tirol muss jagen gehen wie der Landeshauptmann von Niederösterreich ein Glas Wein trinken." Platter und sein Vorgänger Herwig van Staa machten den Jagdschein erst, als sie schon im Amt waren. Die Pirsch als Dienstpflicht? Platter rechtfertigt sich jedoch damit, dass er als Privatmann bei Freunden gejagt habe. "Es kann nicht sein, dass der Landeshauptmann keine Chance mehr hat, das Freizeitvergnügen im eigenen Land zu verbringen", klagt er: "Ganz gleich, ob ich auf den Berg gehe, eine Skitour mache oder ein Jagderlebnis habe."

Joggen oder Jagen?

Geht Platter mit einem Freund auf den Berg, kostet das diesen höchstens eine Runde Schnaps auf der Hütte. Der Abschuss einer Gämse ist hingegen locker 2000 Euro wert. Platters ehemaliger Parteifreund Fritz Dinkhauser, der ihm heute mit einer eigenen Liste Konkurrenz macht, sagt: "Wenn jemand zwischen Joggen und Jagen keinen Unterschied mehr kennt, braucht er keine Büchse, sondern die Bibel."

Von Seiten der weltlichen Rechtsprechung droht Platter hingegen wenig. In diesem Fall sei wohl "keine Strafbarkeit gegeben", sagt Christian Pilnacek, zuständiger Sektionschef im Justizministerium. Der Amtsträger müsse nur "argumentieren können, dass derjenige, der ihn einlädt, ein guter Freund ist". Da spiele es auch keine Rolle, ob Platters Gastgeber womöglich von ihm in seiner Funktion als Landeshauptmann profitieren könnten.

Der Tiroler Grüne Gebi Mair wittert aber ein "erhebliches Erpressungspotenzial, durch Jagdeinladungen. Das zeige sich nun ja deutlich: "Es ist nicht besonders lustig für ihn, deswegen in der Zeitung zu stehen."

Doch nicht nur auf der Pirsch können Politiker in moralische Fallen tappen. An jeder Ecke locken VIP-Tickets für Sportevents oder Premierenkarten für Festspielproduktionen. Nicht jeder Amtsträger, der aus den Gesellschaftsspalten lacht, ist jedoch gleich verdächtig, einen Gönner aus der Wirtschaft gefunden zu haben. Kärntens Landeshauptmann Gerhard Dörfler kann sich dem Beachvolleyball-Turnier in Klagenfurt genauso schwer entziehen wie sein steirischer Amtskollege, Franz Voves, dem Nachtslalom in Schladming. Als Sponsoren werden sie automatisch eingeladen. Hannes Jagerhofer, der Veranstalter Beachvolleyballs, sagt, er sei sogar vertraglich dazu verpflichtet, alle Mitglieder der Landes- und der Bundesregierung einzuladen.

Ein hypothetischer Fall: Sollte sich burgenländischer Landesrat von einem Kärntner Unternehmer, der mit Eisenstadt Geschäfte machen will, zum Mitwippen auf der Ehrentribüne einladen lassen, samt Do&Co Buffet am Nachmittag und Diner am Abend am Wörthersee, dann fiele das derzeit nicht unter Bestechlichkeit. Zumindest dann nicht, wenn das Geschäft zwischen dem Land Burgenland und dem Unternehmer korrekt zustande käme. Dann spielte es auch keine Rolle, dass ein VIP-Dreitagespass für das Beachvolleyball-Turnier 1600 Euro kostet und damit die Geringfügigkeitsgrenze von 100 Euro um ein Vielfaches übersteigt. Beamte würden sich strafbar machen, Politiker nicht.

Verboten - im Prinzip

Das will Justizministerin Beatrix Karl (ÖVP) nun ändern. Sie will das "Anfüttern" von Politikern durch kleinere und größere Geschenke, die die Freundschaft erhalten sollen, strafbar machen - zumindest im Prinzip. Denn erst muss die Justiz einem verdächtigen Politiker einen Zusammenhang zwischen der Zuwendung und der Anbahnung eines Amtsgeschäftes nachweisen. Und selbst dann gilt persönliche Freundschaft weiterhin als Milderungsgrund. Somit hätte Platter auch nach den neuen Regeln nichts zu befürchten.

Karls Pläne seien "überhaupt nicht ausreichend", urteilt Helmut Fuchs, Strafrechtsexperte an der Uni Wien. Er wünscht sich ein totales Anfütterungsverbot, um jeden Verdacht auszuräumen: "Sauberkeit auf Vorrat." Fuchs ist überzeugt, dass Zuwendungen nie den Politikern persönlich gälten, sondern immer der Position. "Günther Platter wird ja nicht zur Jagd eingeladen, weil er der Herr Platter, sondern weil er der Landeshauptmann ist", sagt Fuchs.

Karl will den Anfütterungsparagrafen zusammen mit dem neuen Lobbyistengesetz und einer Transparenzregelung für Parteispenden beschließen lassen. Nach der Telekomaffäre ist die Politik unter Zugzwang geraten. Umso mehr, weil Karls rote Vorvorgängerin Maria Berger 2008 ein Anfütterungsverbot durchgebracht hatte, das viel strenger war als die nun geplante Novelle.

Es dauerte kaum ein Jahr, bis Bergers Nachfolgerin, Claudia Bandion-Ortner, das Korruptionsgesetz lockerte - angeblich weil es "nicht praktikabel" gewesen sei. Zuvor hatten sich Kultur- und Sportveranstalter sowie Firmen beim Lobbyieren im Justizministerium die Klinke in die Hand gegeben. Ganz vorne beim Protest mit dabei war damals die Telekom Austria.