Während in Deutschland über eine Liberalisierung des Verbots für Sterbehilfe diskutiert wird, wünscht sich in Österreich die ÖVP eine Verankerung des Verbots in der Verfassung. Kommenden Mittwoch treten die Mitglieder der von der Regierung eingesetzten Kommission zur Klärung der weiteren Vorgangsweise rund um Fragen der aktiven Sterbehilfe erneut zusammen. Der Kommission unter Vorsitz von VP-Seniorensprecherin Gertrude Aubauer gehören 18 Nationalratsabgeordnete an. Wir fragten zwei prominente Ethiker, warum sie für bzw. gegen das derzeit existierende Verbot der aktiven Sterbehilfe sind.

PRO

Für Ulrich Körtner geht es beim Verbot der Sterbehilfe nicht um Bevormundung, sondern um den Schutz der Schwachen.

Sterben und Tod gehören zum Leben. Das unveräußerliche Recht auf Leben schließt darum recht verstanden auch das Recht zu sterben ein. Lebensverlängerung um jeden Preis missachtet dieses Recht und damit die Würde des Menschen. Eine Medizin, die unsere Endlichkeit und Sterblichkeit nicht wahrhaben will, ist inhuman. Palliativmedizin und Palliative Care haben Gott sei Dank zu einem Umdenken geführt.

Auch im Sterben ist das Selbstbestimmungsrecht des Menschen zu achten. Dafür gibt es in Österreich Vorsorgevollmachten und Patientenverfügungen, in denen ein Patient verbindlich festlegen kann, dass er auf Therapie und lebensverlängernde Maßnahmen verzichten möchte.

Strittig ist aber, ob das Recht zu sterben auch das Recht einschließt, sich zu töten oder töten zu lassen. In Österreich sind Tötung auf Verlangen und Suizidbeihilfe verboten. Und das ist gut so.

Es geht nicht, wie Kritiker der bestehenden Gesetzeslage behaupten, um Bevormundung und Entmündigung, sondern um den Schutz der Schwachen. Todkranke und Sterbende gehören zu den Schwächsten. Durch die Liberalisierung der Euthanasie würden jene unter Rechtfertigungsdruck geraten, die trotz schwerer Krankheit am Leben bleiben möchten, statt sich vorzeitig für das sozialverträgliche und kostensparende Ableben zu entscheiden. Wo wie in den Beneluxstaaten die aktive Sterbehilfe zugelassen wird, ist es von der freiwilligen zur nicht freiwilligen Euthanasie - zum Beispiel von Demenzkranken - nur ein kleiner Schritt.

Weil es um den Schutz der Schwachen geht, ist die Frage der Euthanasie keineswegs nur eine Privatangelegenheit. Flotte Sprüche, am Sterbebett habe der Staatsanwalt nichts verloren, zeugen von einem oberflächlichen Denken. Allerdings kann es Grenzfälle geben, bei denen sich ein moralisches oder juristisches Urteil von Außenstehenden verbietet. Grenzfälle müssen aber Grenzfälle bleiben und sollten nicht durch ein Euthanasiegesetz zur Regel gemacht werden.

Das geltende Euthanasieverbot in den Verfassungsrang zu heben, halte ich jedoch für eine fragwürdige Idee. Im medizinischen Alltag auftretende ethische Probleme, wenn es um Therapiereduktion oder Therapiebeendigung am Lebensende geht, würden dadurch nicht gelöst. Ein Verfassungsgesetz würde nur die unter Ärzten und Patienten ohnehin schon bestehende Unsicherheit vergrößern, welches medizinische Tun oder Unterlassen als Verstoß gegen das Euthanasieverbot oder gegen das Verbot der Suizidbeihilfe zu beurteilen ist. Die beabsichtigte Verfassungsbestimmung könnte so verstanden werden, als ob auch die passive Sterbehilfe, nämlich der Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen, erfasst sein sollte. Nun gibt es aber im Strafgesetzbuch auch das Verbot der eigenmächtigen Heilbehandlung. Auf diesem Verbot fußt das 2006 in Kraft getretene Patientenverfügungsgesetz.

Das Recht auf Leben begründet keine Pflicht zum Leben. Das berechtigte Anliegen des Lebensschutzes darf daher nicht als Vorwand dienen, um Menschen in ihren Entscheidungen am Lebensende zu bevormunden und ihre Freiheitsrechte einzuschränken.

CONTRA

Peter Kampits ist der Meinung, dass der Staat am Sterbebett nichts verloren hat, und plädiert für ein "in dubio pro libertate".

Meine Antwort ist ein vorsichtiges, aber dennoch eindeutiges Nein. Der Staat, der in seiner Rechtsordnung und seinen Regulierungen von immer mehr Lebensbereichen des Einzelnen ohnedies eine zunehmende Entmündigung seiner Bürger vorantreibt, sollte wenigstens am Sterbebett die Autonomie seiner Untertanen respektieren. Was hat der Staat am Sterbebett verloren? Soll dieser letzte Akt des Lebens, denn Sterben ist, bis der Tod eintritt, immer noch Leben; wenn auch ein fast immer qualvolles, von Angst, Schmerzen und Leid durchdrungen, auch noch durch Gebote und Verbote reguliert werden, wie dies bisher der Fall ist?

Gewiss, wir alle wünschen uns ein Sterben in Würde. Aber wie dies aussehen soll, darüber gehen die Meinungen meist sehr emotionsgeladen auseinander. Nun ist der Begriff der Würde ein sehr vielschichtiger und problematischer, der für verschiedene Bedeutungen offen ist. Wo die einen unter würdevollem Sterben eine durch die technischen Fortschritte der Medizin ermöglichte Lebensverlängerung erblicken, sehen die anderen letztlich sinnlose Versuche, den unabweisbaren Tod hinauszuschieben, und plädieren für eine auf autonomes Verlangen des Patienten beruhende Sterbehilfe.

Die lange gepflogene Unterscheidung zwischen aktiver, passiver, direkter und indirekter Sterbehilfe ist ohnedies nicht zuletzt auch aus ethischen und rechtlichen Gründen ins Wanken geraten. Denn die Ethik und auch das Recht kennen auch ein Tun durch Unterlassen. Ist das Absetzen einer Therapie, das Entfernen von Respiratoren oder Infusionen ein Tun oder ein Unterlassen?

Es geht letztlich nicht allein um die Befindlichkeit des Sterbenden, sondern auch um die Situation der Ärzte, die in diesen Entscheidungen um das Lebensende in die Zwickmühle zwischen Respekt vor der Autonomie des Patienten und der ärztlichen Fürsorgepflicht geraten. Denn selbst dort, wo Ärzte der Meinung sind, dass eine Lebensverlängerung keinen Sinn mehr macht, sondern nur eine Verlängerung von Schmerz und Leid, was durchaus nicht dasselbe ist, bedeutet, besteht für sie die Gefahr, mit Anklagen von Angehörigen konfrontiert zu werden. Übrigens kann kein Arzt gegen sein Gewissen zur Sterbehilfe verpflichtet werden.

Aus ethischer Sicht sollte endlich ernst genommen werden, dass Lebensrecht nicht Lebenszwang und Lebensschutz nicht Lebenspflicht bedeuten können und dass anstelle von dogmatischen Einstellungen Barmherzigkeit treten sollte. So wertvoll Palliativmedizin und Hospizwesen auch sind, sie sollten nicht als Allheilmittel gegen eine autonome Gestaltung des Lebensendes ausgespielt werden.

Die gerne angeführten Argumente des Dammbruches bei einer Liberalisierung der Sterbehilfe oder des auf den Sterbenden ausgeübten Druckes können ebenso gut auch als einschüchternde Prophezeiungen angesehen werden, die für alle Lebensbereiche gelten. Verbote, Androhungen von Strafmaßnahmen legen Zwänge auf. Eine Liberalisierung dagegen zwingt niemanden, sie lässt es dem Betroffenen frei, sich für oder gegen Sterbehilfe zu entscheiden. Darum meine ich: "In dubio pro libertate".