Ob Bawag-Affäre oder Hannes-Kartnig-Prozess, Anlagebetrug oder Kursaffäre bei der Telekom: Der Wiener Strafverteidiger Richard Soyer hat Erfahrung mit haarigen Wirtschaftsstrafsachen. Doch das jüngste Husarenstück war selbst für ihn spektakulär. Soyer orchestrierte im Klagenfurter Hypo-Untreue-Prozess die wundersame Wandlung seines Mandanten Dietrich Birnbacher zum reuigen Sünder und bescherte damit der politischen Öffentlichkeit den Auftritt des Jahres.

Der Entschluss zum Geständnis sei in Birnbacher selbst gereift, sagt Soyer, der ab Montag beim Prozess in Klagenfurt wieder im Einsatz ist. Der Verteidiger könne nur beraten. Mit Feingefühl hat Soyer die Kehrtwende unterstützt, zumal sich Birnbacher zunächst wie ein Verräter fühlte.

Soyer, der in Wien als Seniorpartner eine der größten heimischen Strafverteidiger-Kanzleien führt, legt Wert auf Distanz zu seinen Mandanten. Er bleibt beim förmlichen "Sie" und hat auch schon Mandate zurückgelegt, wenn er allzu dreist belogen wurde. "Ich bin nicht der Komplize und auch nicht der Haberer meiner Mandanten", sagt er. Im Prozess gibt er trotzdem das Äußerste, um jenen Standpunkt durchzufechten, den der Angeklagte wünscht.

Einen willkommenen Ausgleich bietet Soyers zweites Standbein. Als Universitätsprofessor für Strafrecht (er habilitierte sich in Graz bei Altmeister Peter Schick mit einer virtuosen Arbeit zum Wiederaufnahmeverfahren) vertritt er nicht Klienten, sondern eigene Meinungen. Erst kürzlich schloss der engagierte Kriminalpolitiker ein EU-Forschungsprojekt ab, bei dem es um "juristische Erste Hilfe" für Tatverdächtige bei Festnahmen ging. Hier zeigt sich die Vorliebe für internationales Strafrecht, die dem gebürtigen Villacher auch schon Mandate in Den Haag, New York und Japan beschert hat.

Auch privat plagt den Vielreisenden, der von "italienischen Kärntnern" abstammt, das Fernweh. Dieses liegt in der Familie: Einer seiner Brüder führt das elterliche Hotel Savoy in Grado, ein anderer arbeitet als Dermatologe im australischen Brisbane.