Er selbst nennt sich einen "Scherzkeks", im deutschsprachigen Raum gilt er als meisterhafter Zeichner der Satire: Der Linzer Gerhard Haderer. Seit knapp 40 Jahren skizziert er die Abgründe der österreichischen Seele, ironisch, sarkastisch aber nicht menschenverachtend. Am Sonntag wird der Karikaturist 65 Jahre.

Geburtstagsmuffel

Vor seinem Festtag nimmt er aber Reißaus, denn er ist ein "Geburtstagsmuffel": "Ich verreise mit meiner Frau und zwei lieben Menschen an einen kleinen, unbekannten Ort", erklärt Haderer im APA-Gespräch. Ein vorzeitiges Geburtstagsgeschenk hat er bereits erhalten. Im Kremser Karikaturmuseum ist seine bisher umfassendste Ausstellung zu sehen. "Think Big!" zeigt auch erstmals sechs großformatige Ölbilder im altmeisterlichen Caravaggio-Stil des Cartoonisten. Haderer hatte "diebische Freude" daran, Kunsthistoriker mit seinem Ausflug in die Malerei "vor ein Rätsel" zu stellen. Dessen Lösung lautet: "Diese Phase ist abgeschlossen".

Gesellschaftskritik

Pinsel oder Feder dienen ihm als Ausdrucksmittel zur Gesellschaftskritik. Die Generalthemen Kirche und Politik haben ihn jahrelang beschäftigt. Für seinen Cartoon "Das Leben des Jesus", in dem er Gottes Sohn als lässigen Weihrauchkiffer darstellte, wurde er in Griechenland wegen Blasphemie in einem ersten Prozess verurteilt. Erst im Berufungsverfahren wurde er freigesprochen.

Größenwahn, Umweltzerstörung

Mit seinem Sohn Christoph bringt der Vater von vier Kindern "das feine Schundheflt Moff" heraus. Für seine Heimatzeitung "Oberösterreichische Nachrichten", das Nachrichtenmagazin "Profil", den "Wiener" aber auch für die deutsche Satirezeitschrift "Titanic" und das Magazin "Stern" hat Haderer in den vergangenen drei Jahrzehnten in mehr als 1.000 Cartoons, die er mit Hades signiert, aktuelle Themen kommentiert: Kapitalistischer Größenwahn, Umweltzerstörung, verlogene Politik oder katholische Scheinheiligkeit - der Linzer überzeichnet Tabus, so dass man unweigerlich schmunzeln muss.

Lachen bleibt oft stecken

Nicht selten bleibt einem aber das sprichwörtliche Lachen im Halse stecken, was wohl daran liegen mag, dass sich der Betrachter in gewisser Form in den Karikaturen wiederfindet. "In Österreich gibt es einen wunderbaren Fundus für Models", meint Haderer. Da bezieht er sich auch selber mit ein."Der Blick in den eigenen Spiegel, alles zu hinterfragen", sei für ihn die Triebfeder. Wird "der Druck im Schädel zu groß", öffne zeichnen für ihn "das Ventil".

Schon als Kind guter Zeichner

Schon als Kind erkannten seine Eltern, dass er "ein hochbegabter Zeichner" ist. So absolvierte er nach der Schule eine Ausbildung zum Werbegrafiker. Jedoch hielt er es in dieser Branche nicht lange aus. Mit 30 Jahren stieg er aus und begann Cartoons zu zeichnen. Die Ästhetik der Werbung behielt er bei, um auch weiter "die Menschen zu verführen - zum Ungehorsam". Denn "Gehorsam führt in die Versklavung", ruft der Karikaturist auf, "alles zu überprüfen".

Tendenz zum Neobiedermeier

Derzeit analysiert er vor allem die gesellschaftliche Entwicklung, "Politik und Kirche sind für mich durch". Er stieß auf eine demokratiegefährdende Tendenz zum "Neobiedermeier, in der sich jeder lieber in sein kleines, privates Idyll zurückzieht". Gegen "ein Aufkündigen des gesellschaftlichen Zusammenhalts" zielen seine derzeitigen Arbeiten. Nicht zuletzt auch wegen des Angriffs auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" in Paris. "Das war eine Zäsur, die niemanden unberührt lässt".

Böhmermann-Affäre ist Merkel-Skandal

Nachdenklich stimmt ihn die Jan-Böhmermann-Affäre, "die eigentlich ein Angela-Merkel -Skandal ist": "Die deutsche Kanzlerin hat ohne eine Zwangssituation einen Künstler öffentlich abqualifiziert". Seitdem hat Haderer "alle seine Sensoren ausgefahren". Anstelle ihm zu seinem 65. Geburtstag zu beglückwünschen, kann er nur "Böhmermann gratulieren", dass er so "radikal provoziert".